Böhse Onkelz – Frankfurt (23.07.2022)
Böhse Onkelz – Frankfurt (23.07.2022)
(Deutsche Bank Arena Jubiläumsshow)
2020 feierte die Band Böhse Onkelz 40 Jahre Jubiläum, denn 1980 gründete sich die Frankfurter Vierer Formation und schrieb Geschichte, die von den einen geliebt, von den anderen verachtet wird, die aber doch jeder in irgendeiner Weise mitbekommen hat.
Von Unten bis nach Oben, von Klein bis Groß sollte dann die Jubiläumswoche in Frankfurt stattfinden, sprich vom kleinen Club bis ins Stadion. Corona verschob das Vorhaben um 2 Jahre und vernichtete die Pläne für die kleinen Shows, es blieben der Auftritt in der Jahrhunderthalle am Mittwoch sowie die beiden großen Jubiläumsshows am Freitag und Samstag. Großes wurde angekündigt und versprochen, Großes wurde geboten, ein kleines Aber bleibt dennoch zurück.
Zunächst aber stehen noch zwei Gäste als Support Bands auf dem Programm. Florence Black hören sich zumindest von außen so an, als ob sie ordentlich Druck ins Stadion ballern. Verschachtelte Wege, fehlende Kennzeichnungen und längere Strecken inklusive zuvor ausfallender Züge sorgen dafür, dass dieser Eindruck von innen nicht bestätigt werden kann, denn trotz jederzeit hilfsbereiter Ordner, die einem dann erklären, welche Richtung man zumindest einschlagen muss, ist der Auftritt beim Erreichen der zugewiesenen Plätze vorbei.
Beasto Blanko hingegen sind schon bekannt, spielten auf dem Matapaloz wie auch in der Jahrhunderthalle. Bandleader Chuck Garric wie sein weibliches Pendant Calico Cooper sind schon imposante Persönlichkeiten und spielen Rock n Roll, der gut ankommt, aber auch keinem weh tut. Und nicht nur der Calicos Nachname erinnert an den Schockrocker Alice, sondern eben auch die Musik bzw. die Art des Gesanges. Kein Wunder, ist Calico doch die Tochter und beide spielten auch in seiner Band mit. Ein bisschen Rob Zombie, ein bisschen Marilyn Manson, das ist gutes Futter zum anheizen, aber mehr als Gut eben auch nicht. Und beim Mitsing Refrain mit lauter Heyheyheyhey-hey werden leider mehr Erinnerungen an die Muppets denn an Horrorfilme wach.
Dann wird es aber Zeit für die Stars und Gastgeber des Abends: Böhse Onkelz. Die Chöre im Stadion kurz vor der Show oder bei bestimmten Stellen der Lieder sind unglaublich. Ich glaube nicht, dass ich etwas vergleichbares jemals zuvor erlebt habe und mehr geht einfach nicht. Was für eine Stimmung, was für eine Lautstärke und was für eine Textsicherheit. Dazu ca. 30 Moshpits an den unterschiedlichsten Stellen im Innfield, das durch zwei Wellenbrecher unterteilt ist. Einfach nur Wahnsinn.
„10 Jahre“ wurde als Eröffnungssong zum Glück nicht nochmal umgedichtet (man erinnere sich nur an das schiefgelaufene Experiment vor 22 Jahren), „So sind wir“ treibt die Partyfreunde noch höher und „Der nette Mann“ darf ja endlich ohne Schmerzensgeld gespielt werden. Grob 3 Stunden Musik sind angesagt, 27 verschiedene Songs, man verzeiht, dass hier keine Änderungen in der Setlist stattfinden und an allen drei Tagen das gleiche Programm geboten wird. „Ich bin in dir“ kommt in der rockigen Version und drückt immer noch gut nach vorne und das in dieser Woche erstmalig live zelebrierte Gerbutstagslied „Kuchen und Bier“ kommt live ebenfalls gut wie auf Platte.
„Saufen ist wie Weinen“ welches mit seinem Intro wie gemacht für einen Spannungsaufbau im Livesektor ist, „Wie aus der Sage“ und „Ein Hoch auf die Toten“ werden noch vom letzten Album folgen, während „Koma“ einen Moment zum Durchatmen verschafft.
Überraschend in der Liste ist auf jeden Fall „Schöne neue Welt“, leider aktueller denn je. Unverzeihlich aber der Verzicht „Auf die Freundschaft“. Wissen die Herren denn nicht, dass sie hiermit einen Evergreen neueren Datums geschaffen haben der für viele schon längst „Auf gute Freunde“ abgelöst (weil fast schon totgenudelt) hat? Sorr,y der gehört rein, Zeit zum nachbessern bis zur Tour bleibt ja noch.
Mit späterem Abend versinkt die Sonne und die Lichte kommen zur Geltung. Und die habens in sich. Perfekt abgestimmt, geile Farben und Laser kombinieren mit der Musik eine Wahnsinns Atmosphäre und die zigtausend Fans, die nicht gerade am Ausrasten sind werden zum Staunen gebracht, sodass es zwar vielleicht nicht größer als am Hockenheim ist, dafür aber für diesen Asprekt besser weil eben grandios.
Und die Band? Mittwochs ging man noch davon aus, erste Feuerprobe, viel gegeben, aber nicht alles denn das Finale kommt am Samstag. Dennoch war eine Spielfreude zu merken, vor allem bei Gonzo, der sich auch grinsend ziemlich zu Anfang mit seinem alten Feind und treuem Wegbegleiter Weidner abklatscht. Das war schön anzusehen. Kevin nicht sehr agil unterwegs, aber ständig die Fäuste geballt und die Armwinkel angezogen, die typische Geste eben.
Und am Samstag? Nun, vielleicht nicht genug hingeschaut oder an den falschen Stellen abgelenkt von den krass vielen Eindrücken rundrum in der Halle, aber nach meinem Empfinden legte die Spielfreude leider nicht zu. Eher im Gegenteil, Kevin stand fast komplett wie angewurzelt in der Mitte, hielt sich am Mikroständer fest und legte seine Sonnenbrille kein einziges Mal ab. Bei „Danket dem Herren“ reißt er kurz die Arme hoch um mit vier angedeuteten Klatschern die Menge vor dem Solo zu animieren (was natürlich klappt, da das Publikum den Vier aus der Hand frisst) aber vielmehr passiert nicht. Gonzo bleibt auch vermehrt auf seinem Platz obwohl er natürlich auch grinsend an anderen Stellen posiert und Pe darf ja leider nicht rumspringen. Stephan bleibt ebenfalls an seinem Platz, stimmt aber auch großartig in die Refrains mit ein oder gibt die Zweitstimme bei z.B. „Dunkler Ort“. Und man mag es ja fast nicht aufschreiben und heraufbeschwören, aber entweder ist es eben der natürliche Abbau des Alters mit ultrakrasser Vergangenheit, oder der Inhalt von „Leere Worte“ holt Mr. Russel wieder ein. Man hört Weidner auf jeden Fall lauter singen als Kevin und das alles erinnert leider leider an vergangene Jahre, bei denen im Nachhinein klar war, dass Stephan mit seinem Backinggesang die Shows gerettet hat, in denen Kevin aufgrund seiner Sucht nicht mehr in der Lage war.
Die Zeit wird’s zeigen, wir hoffen mal der Eindruck ist falsch, es wäre ja aber nicht der erste Fall im Rock n Roll Zirkus, in dem die Sucht immer und immer wiederkehrt, aktuellstes letztes Beispiel dürfte dann wohl der Alkohol bei James Hetfield gewesen sein.
„Viva Los Tioz“, „Auf gute Freunde“, „Mexico“ und „Erinnerungen“ kommen als Zugabe zum Zug. Die 27 Songs sind voll, die Band hat den letzten Song gespielt und dennoch. Am Freitag durfte das Stadion „So sind wir“ ein zweites Mal hören, so verwundert es nicht, dass niemand das Gelände verlässt bis der Vierer erneut auftaucht und „Auf gute Freunde“ und „Terpentin“ zum zweiten Mal an diesem Abend spielt. Kein nicht gespielter Song, aber wie bereits erwwähnt, bei dieser Anzahl und Länge des Sets komplett zu verzeihen. Und sind die Songs so schlecht, dass man sie nicht nochmal hören will? Bestimmt nicht, auch wenn über den ersten Song oben etwas anderes geschrieben wurde. Live darf das.
Und ist es das erste Mal, dass die Onkelz nach „Erinnerungen“ nochmal was spielen wie überall behauptet wird? Nein. 1996 in Dietzenbach, welches als das erste Lieder wie Orkane Festival durchgeht, wollten die Frankfurter kein „Mexiko“ spielen. Es war wieder einmal ein Experiment, welches nicht glückte. Hier aber war klar zu erkennen, es sollte Schluss sein. Doch die Fans wollten „ihr“ Lied hören. Und niemand ging trotz Flutlichtbestrahlung und offensichtlichem Ende nach Hause, jeder sang die berühmten Zeilen. Und nach wirklich langen Minuten kehrte die Band zurück, Weidner eröffnete mit der Ansage, dass sie es wirklich aus der Setlist haben wollten und daher auch nicht geprobt hatten diese ungeplante Zugabe. Man könnte sagen, die beste und ehrlichste Zugabe, die je ein Konzert einer professionellen Band gesehen hat.
Von daher, ein ungewöhnlicher Zug, ein guter und überraschender, aber eben auch nicht einzigartiger. Dennoch natürlich geil und die Vergangenheit kann leider nicht mehr erlebt werden, schon gar nicht von denen, die damals nicht dabei sein konnten.
Was bleibt? Eine Stimmung die nicht zu toppen ist, eine Lautstärke von Fangesängen die es so auf der Welt kein zweites Mal geben dürfte, eine Wahnsinns Licht und Effektshow, eine Best Of ultralange Setlist und eine schon mal agiler agierende Band, die aber musikalisch alles richtig gut dargeboten hat. Also ein Super Event und die Hoffnung, dass die kommende Tour Befürchtungen, die sich aufbauen könnten, in Luft auflöst. Auf die nächsten 10!
(Röbin)