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Nach FÄULNIS und Krachmucker TV kommt MARSCHLAND. Wir haben Mastermind Ernie Fleetenkieker ein paar Fragen zu seinem neuen Folk-Projekt zukommen lassen.

 

TT: Wie kam es zum Projekt? Wars von Anfang an klar, dass es eine Folk-Nummer werden wird?

 

Die Ausrichtung war mir nicht von Anfang an klar, ich wusste nur, dass ich weg vom Schreien wollte. Halb augenzwinkernd, halb ernst sagte ich mir irgendwann, ich müsse langsam mal Musik machen, die ich auch in dreißig Jahren noch machen könne, wenn ich weiterhin auf einer Bühne stehen wolle. Mit Fäulnis selbst hätte ich es auf keinen Fall länger ausgehalten. Eine gewisse, naja, Erweckung kam, als ich „Nothin‘“ von Townes van Zandt hörte. Ich habe es eigentlich nicht mit Country, aber Townes gefällt mir ausgesprochen gut und in seiner Melancholie sah ich etwas, was ich mir auch für mich vorstellen konnte. Ich kann noch viele weitere Namen nennen, Tom Waits, Leonard Cohen, auch Chelsea Wolfe. Mark Lanegan. Blues-Musiker. Ich will nicht klingen wie sie, aber all ihre Musik inspiriert mich. Folk… Auch ein Genre, dass ich nicht wahnsinnig viel höre. Ich habe einfach irgendwann mit der Akustik-Gitarre losgelegt, und „Traurige Trinkerlieder“ ist dabei rausgekommen. Ich hatte kein Ziel-Genre im Kopf, mehr ein Gefühl, dass ich zum Ausdruck bringen wollte.

 

TT: An die letzte Frage anschließend, wenn’s schon in der letzten Frage beantwortet wurde, bitte übergehen: Wird Marschland immer ein Folkprojekt bleiben oder sind auch andere (Metal?) Elemente vorstellbar?

 

Was mir von Beginn an wichtig war, mich nicht sofort wieder einzugrenzen. Metal halte ich jetzt einfach mal für unwahrscheinlicher, aber wie eben angedeutet, es geht mir weniger um ein Genre, als Emotionen zu vertonen.

 

TT: Da du auch schon Erfahrung mit dem Schreiben von Metal und Punksongs hast: Wie unterscheidet sich das Songwriting für Marschland im Vergleich zur größeren Instrumentierung? Auf was muss man achten, in welche Fallen tritt man vielleicht?

 

Schwierig. Ich glaube, ein wesentlicher Unterschied war und ist, dass ich zurzeit versuche, so minimalistisch und reduziert wie möglich zu komponieren. Gitarre, Gesang, vielleicht Chor. Auf der EP noch etwas Cello oder Geige. Bei Fäulnis habe ich meistens eine Rhythmusgitarre eingespielt und dann noch Melodien drübergelegt. Bei „Weiße Wände“ waren das damals, glaube ich, vier oder fünf verschiedene Gitarrenspuren. Die größte Falle ist immer noch zu viel Text. Eigentlich müsste ich meine Songtexte noch um die Hälfte kürzen, um nicht durch den Song zu hetzen.

 

TT: Was mir auf den vier Songs besonders gut gefällt ist, dass sie alle anders, aber am Ende doch aus einem Guss, klingen. Wie schafft man es, mit einer solch limitierten Instrumentierung, trotzdem genug Abwechslung reinzubringen?

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Das weiß ich nicht. Vielleicht liegt es daran, dass ich vor jedem Projekt immer schon ein bestimmtes Konzept im Kopf habe. Dass ist manchmal gar nicht in Worte zu fassen, aber ich schreibe dann nicht einfach vier Songs, sondern habe immer schon das gesamte Album, oder die EP, im Kopf.

 

TT: Sind die vier Songs alles was zum aktuellen Zeitpunkt fertig ist oder gibts noch mehr Tracks, die nur darauf warten veröffentlicht zu werden?

 

Ich schreibe bereits an neuen Stücken für ein Album, ja. Ich will ja auch ab März auftreten, da heißt es jetzt, dranbleiben. Aber gerade fließt es, ich muss sagen, trotz des immer bedrückenden Grundtones macht es mir wieder sehr viel Freude, Musik zu machen.

 

TT: Wann im Schreibprozess kamen die Ideen, an welcher Stelle es eventuell Perkussives im Hintergrund, mehrstimmigen Gesang oder andere unterstützende Elemente im Klangbild benötigt?

 

Das kommt nach und nach. Ein System habe ich nicht, aber ich habe immer Textbruchstücke oder Riffs, bevor ich anfange. Bei der EP habe ich dann eine Keyboard-Spur nach der anderen drübergelegt, hier und da noch Melodien… dreitausend Effekte… und irgendwann alles bis auf das Grundgerüst wieder gelöscht.

 

TT: Wie viel Überwindung hat es gekostet mit Klargesang zu arbeiten? War dir von Anfang an klar, dass dieser nicht technisch perfekt sein wird oder gab es im Laufe des Schreibprozesses auch die Idee Gesangunterricht zu nehmen und alle „gerade“ zu rücken?

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Der Gesang war die größte Hürde. Meine Ausgangssituation war, klar singen zu wollen und auf keinen Fall diesen Klargesang unter Effekten zu begraben, um zu kaschieren, dass ich eigentlich noch nicht so weit bin. Ich habe hier eine Version von „Kneipengeister“, zwei Jahre alt. Also wer die EP-Version schief findet, uiuiui. Ich kam auch ab einem Punkt nicht weiter und war wirklich davor, es einfach zu lassen. Ich habe mich dieses Jahr dann allerdings überwinden können und mit Gesangsunterricht angefangen. Da ist in den ersten Stunden schon der Knoten geplatzt. Natürlich, ich hätte jetzt zehn Jahre warten können mit der EP, bis es, ähm, alles perfekt klingt. Aber auch, wenn ich schon den Anspruch habe, mich gesanglich zu verbessern, passt es zum einen einfach zum Thema der EP, nicht jeden Ton zu treffen und ich hau lieber mal daneben, dafür aber mit Inbrunst. „Kneipengeister“ habe ich übrigens bewusst live eingespielt, das war nachher eine Spur. Nackt, schief und ehrlich.

 

TT: Zum Abschluss möchte ich noch über die lyrischen Themen etwas sprechen. Wie in meiner Besprechung zur EP bereits geschrieben, trinke ich nicht. Ich hatte, als ich die EP noch nicht gehört hatte, etwas Respekt vor ihr und wusste nicht, ob ich ihr gerecht werden kann. Schließlich habe ich meinen Genuss eher aus Songwriting und Atmosphäre gezogen. War dir bewusst, dass das Thema Alkoholkonsum und Alkoholismus, der auf der gesamten EP mitschwingt eventuell auch ausschließend wirken kann?

 

Da kann und will ich keine Rücksicht drauf nehmen. Ich kann doch nicht über ein Thema schreiben wollen und dann überlegen, ob ich damit jemanden vergraule. Keine Frage, ich freue mich über Hörer, über Anerkennung, über Lob, die Möglichkeit live zu spielen. Aber vor all dem steht eine Idee, ein Konzept, ein Gedanke, eine Vision. Und diese so kompromisslos wie möglich zu verwirklichen, darum geht es. Alles andere kommt erst danach.

 

TT: Wann im Laufe des Schreibprozesses war dir klar, dass das Thema Alkohol diese EP dominieren wird? Gibt es bei Marschland auch Potential für andere Themen?

 

Das Erste, was stand, war der Titel „Traurige Trinkerlieder“. Ich wollte genau das machen. Allerdings wird das Thema Alkohol dieser einen EP vorbehalten sein. Es geht ja auch mehr um das Elend, als um das Glorifizieren. Marschland selbst hat kein Korsett. Einzig mein Unvermögen, positive Musik zu machen gibt wohl vor, wie es weitergeht.

 

TT: Mit „Kaperfahrt“ gibt es deine Interpretation eines flämischen Folk-Songs zu hören. Wie kamst du darauf und wie schwer war die Adaption?

 

Ich wollte unbedingt ein Seemannslied vertonen. Ich hatte diese eine Zeile im Kopf und hab eine blasphemische Hymne für Seebären und -bärinnen draus gemacht. Ist das überhaupt ein Song? So drückend die EP auch sein mag, das ganze Gegröhle, Gerausche und Geklirre aufzunehmen, war großartig.

 

TT: Zu guter letzt, weil es um Krachmucker TV aktuell etwas ruhiger geworden ist: Welche (fünf?) Platten laufen bei dir gerade rauf und runter?

 

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Oha. Also vorweg, ich höre nun wirklich seit über 30 Jahren Metal. Und es gab immer mal Zeiten, wo Metal etwas aus dem Fokus geraten ist. Vielleicht waren es auch die sieben Jahre Krachmucker, in denen ich mich mehr als jemals zuvor der Musik gewidmet habe. Lange Rede, ich glaube, ich habe lange nicht so wenig Metal gehört, wie dieses Jahr.

 

  1. Blues-Brothers-Soundtrack, Aretha Franklin und alle möglichen Blues-Playlisten
  2. Diverse Silent-Hill-Soundtracks, inkl. Ambientinterpretationen
  3. Reverend Kristin Hayter – Saved!
  4. Klaus Schulze, Tangerine Dream und Artverwandtes
  5. Lindsey Buckingham – One Love live

(Manuel)

 

https://www.facebook.com/Marschland.Musik/


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