Gaea Schoeters - Trophäe
(btb Verlag)
- Afrika, das Land der unmoralischen Möglichkeiten -
Der reiche und erfolgsverwöhnte Amerikaner John Hunter White ist ein egozentrischer Großwildjäger und Naturliebhaber mit Nachhaltigkeitsantrieb. Um sich seiner Obsession hinzugeben, ist er nach Ostafrika gereist. Mit seiner Doppelbüchse Kaliber .577 Nitro Express* will er ein Spitzmaulnashorn schießen, um seine Big Five endlich zu komplettieren. Die Lizenz zum Abschuss eines alten, aber wunderschönen Tieres, hat er über eine seiner vielen Firmen erworben. Anonym quasi. Auf Morddrohungen, Sabotage oder Repressalien gegen sich kann Hunter nämlich gerne verzichten. Jagdleiter und Berufsjäger van Heeren macht all dies für seinen langjährigen und zahlungskräftigen Kunden möglich. Gemeinsam mit ein paar einheimischen Fährtenlesern und dem jungen Fahrer Jeans, machen sie sich auf die Suche nach dem Rhinozeros. Auf seine niedersten Instinkte reduziert und mit einer an Besessenheit grenzenden Beharrlichkeit will Hunter seinen Jagdtrieb ausleben und jede einzelne Sekunde davon auskosten. Doch da ist noch etwas anderes im Busch und "sein" Nashorn kann ins Unterholz flüchten. Etwas oder jemand ist Hunter in die Quere gekommen, was seine Mission von Grund auf scheitern lässt.
Die belgische Schriftstellerin, Journalistin, Librettistin und Drehbuchautorin Gaea Schoeters, hat mit "Trophäe" eine anmutige und mitreißende Erzählung kreiert, die sich spannender liest wie jeder Thriller. Mit erstaunlichen, teils widerlichen Anekdoten rund um die einzigartige Tierwelt Afrikas, deren Bewohner und die Großwildjägerei, beschreibt die 1976 in Sint-Niklaas geborene Autorin, die Jagd zu Beginn als ein euphorisierendes, elegantes, bis reißerisches Happening. Aus der anfänglich überspitzten Schönfärberei, der 256-seitigen Taschenbuchausgabe, liest man deutlich heraus, dass der Dummheit, wie auch der Überheblichkeit der Menschheit keinerlei Grenzen gesetzt sind. Die flämische Autorin führt in "Trofee", wie das 2020 im Original erschienene Werk betitelt wurde, aber auch durchdachte Überlegungen an, die seitens der Staaten und Tierschützer nicht zu Unrecht gemacht wurden, um die entsprechenden Tierbestände Afrikas vor Wilderern zu schützen.
"Auf dem asiatischen Markt sind die [Nashörner des Spitzmaulnashorns] feingemahlen grobgeschätzt achtzigtausend Dollar pro Kilo wert, ungefähr das Doppelte vom Goldpreis. Versuch das mal mit einem einfachen Jagdverbot in einem Land zu verhindern, wo drei Viertel der Bevölkerung in Armut leben und Korruption die traditionelle Staatsform ist." Zitat S. 29
Gaea Schoeters hält den Jagdbericht absichtlich nüchtern und konservativ, dafür aber ungleich fesselnder. Wenn jedoch die aufgewühlte Gefühlswelt von Hunter zur Sprache kommt, sieht die Sache etwas anders aus. Hunter fühlt sich in seiner Ehre gekränkt. Als Leser spürt man die Gefahr im Nacken, die Angst, die sich allmählich ausbreitet, sich zur Todesangst aufwächst, dann Zorn und Enttäuschung weicht, als der Abschuss misslingt. Mit einem bildgewaltigen und pointierten Sprachvermögen vergleicht Schoeters die Urinstinkte des Menschen, also die Jagd, mit Hunters wirtschaftlich vorausschauender Art mit Aktien zu handeln.
"Ein guter Jäger kennt seine Beute." Zitat S. 43
Dabei lässt die Belgierin auch die menschliche Seite ihres Protagonisten nicht außer Acht. Mit der Jagd aufgewachsen, will Hunter mit allen Mitteln seine Triebe befriedigen. Ob dies nun bei der Großwildjagd geschieht oder bei seinen spekulativen Handelsgeschäften..., Hauptsache Endorphine! Als allmählich offenbar wird, wer oder was sich hier eingemischt hat, kocht John Hunter White vor Wut. Dieser Jemand wird dafür bezahlen. Da macht ihm van Heeren ein unmoralisches Angebot, das der Amerikaner, aufgrund seiner divergenten moralischen Grundsätze, unmöglich ablehnen kann. Die Jagd auf die Big Six ist eröffnet!
"Legal und illegal ließen sich hier öfter durch Dollarscheine voneinander unterscheiden als durch Gesetzestexte." Zitat S. 99
Mit interessanten, aber harten Fakten, skrupellosen Ansichten und hierzulande geradezu absurden Gedankengängen angereichert, macht Schoeters auf die unglaublichen Missstände und Widersprüchlichkeiten Ostafrikas aufmerksam. Die schreckliche koloniale und regionale Vergangenheit, sowie die verheerenden Entwicklungen, die sich daraus ergaben, bereiten einem Gänsehaut und machen fassungslos. Die Reintegration der Massai und die Jagdrituale dieses einstmals größten Volks der Erde, sind verheerender Weise an Bedingungen geknüpft. Als Europäer ist es nicht immer leicht diese unvorstellbaren Gefüge nachzuvollziehen. Dabei machen einen die überwältigenden Ausführungen über die physischen, wie mentalen Fähigkeiten der Ureinwohner einfach sprachlos. Dieser vollkommene Überblick über sämtliche Ereignisse in der Savanne, sowie die permanente Überlegenheit in nahezu allen Belangen sind Gesetze der Natur. Diese Fähigkeiten und Instinkte entscheiden letztlich über Leben oder Tod. "Trophäe" ist ein literarischer Kunstgriff, mit schreiend lauten Zwischentönen geworden, die noch lange, lange nachhallen. Eine Frage von Moral und Respekt, die uns unsere tiefgreifende Entwurzelung vor Augen hält.
*Kaliber .577 Nitro Express sollte man unbedingt mal googeln!
(Janko)
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Gaea Schoeters - Trophäe
btb Verlag
Gegenwartsliteratur / Thriller
ISBN: 978-3-442-77524-8
256 Seiten
Taschenbuch
Originaltitel: Trofee (2020)
Aus dem Niederländischen von Lisa Mensing
Erscheinungstermin: 13.08.2025
EUR 14,00 Euro [DE] inkl. MwSt.
"Trophäe" beim btb Verlag: https://www.penguin.de/buecher/gaea-schoeters-trophaee/taschenbuch/9783442775248
Leseprobe: https://content.penguinrandomhouse.de/content/edition/excerpts/1147656.pdf