Wave Gotik Treffen 2009
Wave Gotik Treffen 2009
29.5.-1.6.09 - Leipzig
Wenn Pfingsten naht, bricht der Großteil der Redaktion ins Ruhrgebiet auf, um dem Rock Hard Festival beizuwohnen, ich hingegen zog es auch 2009 vor, mich zum Gipfeltreffen der schwarzen Szene nach Leipzig zu begeben. Das Wetter war überwiegend ok, das Bild ein gewohntes: Rund 25000 Besucher, von denen 90% in erster Linie darum wetteiferten, wer das tollste Outfit hatte. Egal, denn neben all der Schaulauferei bietet das WGT auch jede Menge guter Musik, und auch für das diesjährige Festival gilt rückblickend: Eine interessante Zusammenstellung seitens der Veranstalter, für jeden etwas dabei – trotz aller Unkenrufe der selbsternannten Szenepäpste, laut derer natürlich früher als viel besser war, kann es mit dem WGT gerne so weitergehen. Und damit genug der Vorrede – ab nach Leipzig in die vielfältige Welt der dunklen Klänge.
Freitag, 29.5.09 - Volkspalast
Jännerwein
Zum Auftakt ein wenig Neofolk? Na warum nicht – also begann das Festival für mich im Volkspalast, den ich bislang noch nicht von innen gesehen hatte. Ein sehr schöner Bau mit festlicher Atmosphäre, gut gefüllt mit allerlei Publikum. Leider teilweise auch mit Gestalten, die mit sehr zweifelhaften Bandshirts, Seitenscheiteln und sonstigen betont militärisch-martialischen Outfits auffielen, was allerdings beim Neofolk auch nicht unbedingt überraschend ist. Wenigstens musikalisch begann das WGT aber ziemlich gut, denn Jännerwein aus Salzburg erwiesen sich als kompetente Opener, die musikalisch gekonnt zwischen Melancholie und Kampfeslust pendeln. Schöne Musik mit gutem Chorgesang, jedoch hätten eventuell noch ein paar weitere Proben mit den mitgebrachten Gastmusikern gutgetan, denn insbesondere bei den beiden Trommelbuben war das Timing nicht gerade optimal, und wenn der Leadsänger die Texte nicht beherrscht, wirkt das auch nicht gerade positiv. Jännerwein sind eine talentierte Newcomerband, die gute Songs schreiben kann, jedoch noch ein Stück reifen muß. Ach ja, und ob die Heimatverbundenheit unbedingt mit krachledernem Outfit bezeugt werden muß, darf auch eher unter unfreiwilliger Komik verbucht werden…nichtsdestotrotz ein durchaus akzeptabler Auftakt.
Of The Wand And The Moon
Die anschließenden Of The Wand And The Moon hingegen haben ihren Newcomerstatus schon lange abgelegt, und es wurde gut voll im Volkspalast. Die Bühne wurde mit zwei Pulten und einer Reihe Perkussion dekoriert, bevor die Dänen ebenso ruhig wie intensiv loslegten. Das martialische Element des Neofolks geht Of The Wand And The Moon ja weitgehend ab, dafür lassen sie ihre Fans wohltuend in ihren recht minimalistisch instrumentierten Klangwelten schwelgen. Und die Fans lauschten auch in Leipzig andächtig. Getragen wurden die Stücke wie gehabt vor allem durch die Gitarre und den eindringlichen, geraunten Sprechgesang Kim Larsens, unterstützt von ein wenig Perkussion und Elektronik und bei ein paar Songs einem Mitglied von Sonne Hagal an der Trommel. Es nötigt auf jeden Fall Respekt ab, wie wenig Mittel Of The Wand And The Moon benötigen, um ihre Musik zu kreieren – Sparsamkeit kann sich wirklich auszahlen. Auch wenn sich manche Kritiker über fehlende Originalität beschweren und die Band als „Of The Death And The June“ abtun – für mich sind und bleiben die Dänen im Neofolk eine Klasse für sich.
Freitag, 29.5.09 - Kohlrabizirkus
My Dying Bride
Vom Volkspalast zum Kohlrabizirkus sind es nur ein paar Minuten zu Fuß, was von Vorteil ist, wenn man vom Neofolk zum Metal wechseln möchte. Planmäßig hätte ich ja noch zumindest die zweite Hälfte von Týr gesehen, aber durch die Verzögerung im Volkspalast schaffte ich es dann gerade pünktlich zu My Dying Bride. Umso besser, daß es offenbar auch im Kohlrabizirkus Probleme gab und der Auftritt von Týr mal eben nach hinten verlegt wurde, im Anschluß an den Gig der Trauerweiden aus Yorkshire.
My Dying Bride sind ja grundsätzlich immer sehenswert – selten klingt Tristesse so wunderbar, und die Performance von Aaron Stainthorpe ist ohnehin legendär, auch wenn er sich nicht so hemmungslos gab wie beim letzten WGT-Auftritt 2004. Aber auch ein weitgehend dem bandeigenen Standard unterworfener Gig hat Klasse, wenngleich die Setlist wie immer recht überraschungsarm war (u.a. „She is the dark“, „Catherine Blake“). Eine Frage sei jedoch gestattet: Warum holen My Dying Bride die Violine wieder zurück ins Line Up, verzichten dann aber auf einen lange Zeit fest verankerten Song wie „A kiss to remember“, der nicht unwesentlich von diesem Instrument lebt? Vermutlich hat die Band aber mittlerweile einfach zu viele Songs, um alle Klassiker bringen zu können – und ein absolutes Highlight gab es auch für die alten Fans: „Turn loose the swans“ wurde nach langer Zeit wieder einmal aus der Kiste geholt! Mein Gott, war das geil, die kalten Schauer auf dem Rücken sind noch jetzt nicht ganz verschwunden. Da war auch der Hit „The cry of mankind“, der diesmal als Zugabe intoniert wurde, nichts dagegen. Ich glaube, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, daß auch künftige My Dying Bride-Gigs immer gut sein werden, es wäre nur schön, wenn mal wieder eine reguläre Tour mit ausgedehntem Headlinerset erfolgte.
Týr
Wie bereits erwähnt traten die Wikinger von den Färöer dann als Rausschmeißer an, die Abwanderungstendenzen nach My Dying Bride hielten sich jedoch in Grenzen, so daß Týr noch vor einem gut gefüllten Kohlrabizirkus loslegen konnten. Daß die Exotentruppe, die ich vor fünf Jahren als absoluten Geheimtip sehen durfte, mittlerweile derart an Popularität gewonnen hat, ist schon bemerkenswert, aber seitdem waren sie ja schließlich auch nahezu permanent auf Tour und durften so ziemlich jede mögliche Festivalbühne von oben betrachten. Ausgestattet mit Kettenhemden und Lederpanzern bemühten sich Týr, wie echte Wikinger rüberzukommen, was sie aber nach wie vor von einem Gros ihrer Kollegen unterscheidet, ist die musikalische Qualität, denn technisch sind sie mittlerweile geradezu beängstigend fit, und die zahlreichen Konzerte haben ebenfalls Spuren hinterlassen. So tight habe ich noch keine andere Viking Metal-Band erlebt, die Chorgesänge kamen ziemlich perfekt, das Stageacting verteilte sich schön über die Bühne. Entsprechend ging auch das Publikum ordentlich mit und quittierte die färöischen Klänge mit Jubel und Headbangen. Keine Frage, kann man sich immer wieder ansehen, und nimmt man die neuen Songs als Maßstab, werden wir auch künftig mit hoher musikalischer Qualität aus dem Hause Týr beglückt werden.
Samstag, 30.5.09 – Agra-Halle
T.A.N.K.
Der zweite Festivaltag begann recht elektronisch, da mich ich erstmal zur EBM-Abteilung ins Hauptquartier auf dem Agra-Gelände begab. Die erste Band T.A.N. K. war bereits dabei, ihr leider ziemlich stumpfes Material in die Menge zu feuern. Reichlich platte Songs, vorhersehbar und arm an guten Ideen, so gewinnt man bei mir keinen Blumentopf. Zwar paßt diese Musikrichtung in keine WGT-Location besser als in die kalte Industriehalle, aber wenn die Songs nicht stimmen, nutzt auch die Atmosphäre nichts. Das posige, selbstverliebte Auftreten des Frontmanns tat ein übriges – weg damit.
Dolls Of Pain
Die mir noch unbekannten Dolls Of Pain waren von deutlich anderem Kaliber. Wie man auch in einem stilistisch stark eingegrenzten Genre wie EBM eine eigene Duftnote hinterlassen kann, zeigten die Herrschaften ohne weiteres, denn die Stücke sind eingängig aber nicht langweilig, interessant durcharrangiert aber nicht zu anspruchsvoll. Ob der Gitarrist tatsächlich zu hören war oder nur als Dekoration auf der Bühne mit herumhüpfen durfte, ließ sich nicht genau ausmachen, war aber auch nicht so schlimm. Mit den echten Größen der Szene (Suicide Commando, Hocico oder Punto Omega) können die Schmerzpuppen noch nicht ganz mithalten, aber für die Startposition an zweiter Stelle war die gebotene Qualität schon mal absolut überdurchschnittlich. Beim nächsten Auftritt haben sie sich einen höheren Platz im Billing definitiv verdient.
Anschließend zog ich mich erstmal aus der Konzerthalle zurück, begutachtete ein wenig den Szenemarkt nebenan, schnupperte ins heidnische Dorf hinein und machte mich dann auf Richtung Parkbühne. Wie dem so ist, traf ich noch ein paar Bekannte, was für geringfügige Verzögerung sorgte, rechtzeitig zu Clan Of Xymox war ich dann aber vor Ort.
Samstag, 30.5.09 - Parkbühne
Clan Of Xymox
Kurz nach dem Beginn der Xymoxonen begann es zu regnen, was aber nicht schlimm war, denn der Auftritt war gut. Das Publikum hatte tapfer ausgeharrt, um die holländischen Nachbarn einmal mehr willkommen zu heißen, immerhin haben wenige Bands schon so oft beim WGT gespielt wie sie. Clan Of Xymox revanchierten sich mit einer souveränen, sehr spielfreudigen Show, die wohl alle zufriedengestellt haben dürfte, vorausgesetzt man steht auf traditionellen Gothic Rock mit nicht zu überhörenden elektronischen Einflüssen. Auch wenn Xymox heutzutage eher ein Soloprojekt Ronny Moorings’ sind und nur live als Band agieren, war davon nicht viel zu spüren – das richtige Feeling kam auf jeden Fall rüber. Eine sehenswerte Band, die ihren Platz als Headliner auf der Parkbühne zu Recht innehatte.
Samstag, 30.5.09 - Felsenkeller
Specimen
Anschließend noch auf einen Sprung in den Felsenkeller, wo ich gerade zum Beginn von Specimen ankam. Noch so eine Kulttruppe, die aus ihrer Nische nicht wegzudenken ist, auch wenn wie bei jeder Reunion nach über zwanzigjähriger Pause das Bangen groß sein mag. Die Iros sind ab, eine wilde Performance war es auch nicht gerade, aber die älteren Herren auf der Bühne machten doch noch gut einen los. Deathrock der biologisch bedingt sehr betagten Schule, garniert mit dem typisch schrillen Outfit – war schon amüsant, auch wenn Specimen vermutlich 2009 keine Maßstäbe mehr setzen werden. Der Gig hatte eher den Charme eines gut ausgestatteten Freilichtmuseums – lebendige Geschichte, dargeboten von Zeitzeugen aber eben doch eine reine Retrogeschichte ohne große Relevanz für heutige Zeiten. Ob es die Fans anders sahen, kann ich nicht beurteilen, jedenfalls feierten sie die alten Helden gebührend und gingen ordentlich ab. Ein schöner Abschluß für den Tag.
Sonntag, 31.5.09 – Agra-Halle
Fetisch: Mensch
Ich gestehe: Zu Noctulus habe ich es einfach nicht geschafft. Auch wenn das Ein-Mann-Kommando des suizidalen Zeltplatz-Black Metals dieses Jahr tatsächlich einen Platz auf der Hauptbühne bekam (sehr coole Aktion der Veranstalter), war ich schlicht und ergreifend nicht früh genug vor Ort. 2000 Genossen waren da vorbildlicher und feierten den heimlichen WGT-Headliner ab, wie am Montag verkündet wurde. Ich hoffe, nächstes Jahr bekommt er die doppelte Spielzeit?
Meine erste Band des Tages waren somit Fetisch: Mensch. Die Truppe um Szeneguru Oswald Henke rockte richtig gut los und sorgte für einen angenehmen Weckruf bei jenen, welche noch nicht von Noctulus verwöhnt worden waren. Auch wenn die Truppe nun nicht gerade häufig live auftritt, präsentierte sie sich doch gut eingespielt, die Musiker agierten kompetent und zurückhaltend, während die Show natürlich dem charismatischen Frontmann überlassen blieb. Der nutzte die Bühne einmal mehr weidlich aus, um ordentlich Theater zu machen, deklamierte von seinem Pult herab und performte so eindringlich, wie es eben seine Art ist. Mein Favorit war einmal mehr „Narbengarten“, aber Fetisch: Mensch haben zweifellos noch eine ganze Reihe weiterer starker Songs in petto, insofern wäre es doch nicht verkehrt, wenn sie ihr Vorhaben, niemals ein Album zu veröffentlichen, brechen würden. Ich kenne da so manchen, der sich tierisch freuen würde…und ich mit.
Vendemmian
Was dann folgte, war Gothic Rock der gaaaanz alten Schule. Ein simpel programmierter Drumcomputer, ein Baß, zwei Gitarren und klagender Gesang mit sehr englischer Einfärbung…willkommen in einer Zeit, als die Sisters noch nicht den Bombast entdeckt hatten, Bauhaus noch jung und knackig waren und überhaupt alles besser war. Vendemmian waren mir bis zu diesem Zeitpunkt unbekannt, konnten mich mit ihren Songs aber restlos überzeugen und verbreiteten eine zeitgenössische Frühachtziger-Atmosphäre, wie ich sie mir als zu spät Geborener authentisch vorstelle. Herrlich, herrlich. Jetzt fehlt zum nächsten WGT noch die große Southern Death Cult-Reunion, dann bin ich glücklich.
Fliehende Stürme
Die folgenden Lacrimas Profundere fielen einer Futterpause zum Opfer, aber die Düsterpunk-Legende Fliehende Stürme muhte auf jeden Fall sein. Etwas verloren wirkten die drei alten Herren auf der großen Bühne schon, zumal auf großes Stageacting ebenso verzichtet wurde wie auf lange Ansagen, ein Intro oder sonstige Showelemente. Schlichtes Outfit, alles Drumherum aufs wesentliche reduziert, nur die Musik und die Texte standen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Dem Publikum schienen sie weitgehend unbekannt, die Reaktionen waren jedenfalls zunächst recht zurückhaltend, was sich aber im Laufe des Gigs deutlich änderte, obwohl wie gesagt von Show nicht viel zu sehen war, was eine weitgehend auf Optik ausgerichtete Szene durchaus negativ honorieren könnte. War aber nicht der Fall – Fliehende Stürme konnten absolut überzeugen und heute sicherlich eine ganze Reihe neuer Fans gewinnen. Die Band agierte regelrecht introvertiert, bewegte sich kaum, Andreas Löhr beschränkte sich neben der Gitarrenarbeit darauf, mit nach Resignation und Zynismus aussehender Miene die Texte ins Mikro zu zischen, enttäuscht und ohne Ende angewidert von der Welt. In einem Club kommen Fliehende Stürme natürlich besser rüber, aber der heutige Auftritt war ein Erfolg.
Sonntag, 31.5.09 – Heidnisches Dorf
Qntal
Anschließend war es Zeit, zum heidnischen Dorf hinüberzuwandern, denn wie jedes Jahr gab es dort zu später Sunde ein besinnliches Konzert fernab von Dudelsäcken und Gegröhle. Dieses Jahr hatten sich Qntal angesagt. Keine Frage – nichts wie hin, denn auch wenn es viele Formationen gibt, die gekonnt mit Atmosphäre und Stimmung spielen können: Wenig reicht an den Zauber einer Qntal-Show heran.
Etwas eng war es schon auf der Bühne, als das Quartett ankam, insbesondere da Michael Popp mal wieder eine imposante Instrumentkollektion mitgeschleppt hatte, die im Verlauf der einen Stunde auch komplett zum Einsatz kam, aber alle fanden dennoch genug Platz, um gemeinsam ein denkwürdiges Konzert abzuliefern. Zum Auftakt gab es das von wirklich jeder Mittelalterband totgedudelte „Palästinalied“, doch an Qntals Version reicht eben niemand sonst heran. Weitere Stücke waren „Amor volat“, „Der Name der Rose“, ach, es war eine wahre Freude. Sigrid Hausens Gesangsleistung war wie immer mehr als überzeugend und ließ die Fans den gewohnten Kniefall tun. Die Dame war gut drauf, gab sich weniger divenhaft als gewohnt und pflegte in der gewohnten Umgebung (Qntal beehren das WGT schließlich in schöner Regelmäßigkeit alle zwei Jahre) so manches lockere Sprüchlein. Amüsant: Ein offenbar nicht rechtzeitig eingetroffener Fan forderte vehement eine erneute Performance des als Openers verbratenen „Palästinalieds“, was vom Publikum aufgegriffen wurde. Ergebnis war, daß die geplante Zugabe „Flamma“ kurzerhand dran glauben mußte, um stattdessen den Wunsch der Fans zu erfüllen. Insgesamt habe ich Qntal noch nie so rock’n’rollig gesehen wie heute, hatte schon was – auf jeden Fall eines der Festivalhighlights, meinem Empfinden nach sogar die Nr. 1.
Montag, 1.6.09 – Parkbühne
Lahannya
Das Wetter war schön, echte Pflichtbands spielten heute nicht mehr – also warum nicht einen schönen Tag an der Parkbühne verbringen. Ist halt doch meine Lieblingslocation beim WGT – guter Sound, gute Sicht und heute ein überwiegend interessantes Programm. Als ich das kleine Amphitheater enterte, hatte Lahannya gerade ihr Set begonnen. Zu hören gab es netten, weitgehend durchschnittlichen Gothic Metal von der Stange ohne nennenswerte Höhe- oder Tiefpunkte. Zumindest instrumental, gesanglich hingegen war der Gig reichlich übel, denn die Frontdame sah sich mit ihrem dünnen Stimmchen kaum imstande, einen Ton länger als ein paar Hundertstelsekunden zu halten. Auf CD hat Lahannya ja schon einiges an Erfahrung vorzuweisen, aber live ist die Chose doch was anderes und in diesem Fall ziemlich anstrengend. Optisch eine sehr reizvolle Angelegenheit, für die Ohren war Lahannya allerdings kein Verwöhnprogramm.
Die So Fluid
Das Londoner Dreigestirn Die So Fluid versprühte anschließend gekonnt den rotzigen Charme seiner Heimatmetropole. Punklastiger, teilweise recht grooviger Rock war angesagt, der vor allem die heute zahlreich erschienene Lederjacken-und-Iro-Fraktion begeistert haben dürfte. Von der Spielfreude der Truppe, vor allem Sängerin und Bassistin Grogs, kann sich so manche andere Band noch eine dicke Scheibe abschneiden. Auch wenn’s mir stellenweise zu schrammelig wurde und ich mir vermutlich in näherer Zukunft Die So Fluid nicht ins Wohnzimmer holen werde, geht der Daumen für die überzeugende Performance nach oben.
The Eternal Afflict
Ein qualitativer Rückschritt war dann mit The Eternal Afflict angesagt, denn der stumpfe Elektro-Rock wußte so ziemlich gar nicht zu überzeugen. Uninteressante Songs, dazu ein Sänger, der auch als kleiner Bruder von Brad Pitt hätte durchgehen können und ebenso herumposte…danke, kein Interesse. Stilistische Vielfalt ist gerade beim WGT eine feine Sache, aber The Eternal Afflict waren einer der Tiefpunkte des Tages. Ein andermal, irgendwann…in einer möglichst fernen Zukunft.
Inkubus Sukkubus
Eine der meisterwarteten Bands des heutigen Tages waren sicherlich Inkubus Sukkubus, was sich am größer werdenden Gedränge vor der Bühne ablesen ließ. Der Opener „Supernature“ treibt sich seit jenem Tag auch hartnäckig in meinem Gehirn herum und konnte bislang auch mit komplizierten Operationsversuchen nicht entfernt werden. Ist aber auch ein geiler Song…total simpel strukturiert und deswegen so toll. Wie überhaupt Inkubus Sukkubus nie die Großmeister der Komplexität waren, was aber vermutlich auch nicht der Anspruch der Band ist, sie schreiben lieber einfach nachzuvollziehende und umso bestechendere Songs. Davon gab es auch heute wieder einen bunten Strauß zu hören, u.a. „Lucifer rising“, „Away with the fairies“, „Witchqueen“ und „Heart of Lilith“. Leider auch das völlig überflüssige und von schon viel zu vielen Bands totgedudelte Stones-Cover „Paint it black“, aber was will man machen. Während die Instrumentalisten weitgehend zurückhaltend agierten, ging Sängerin Candia umso mehr aus sich heraus, nutzte die Bühnenmaße gut aus, gestikulierte theatralisch und sang mit viel Inbrunst – ein verdammt guter Auftritt. Auch wenn mir Inkubus Sukkubus teilweise ein wenig zu melodievernarrt sind, boten sie doch eines der Highlights des Festivals.
Nosferatu
Langsam wurde es auf der Parkbühne richtig kultig und die Bands immer älter. Nosferatu sind nun auch schon über 20 Jahren aktiv, haben ihre Fanschar hinter sich, können auf eine ordentliche Diskographie verweisen und blieben erfolgstechnisch doch immer eher im Mittelfeld stecken. Nun gut, die wahren Kings ihrer Richtung waren sie halt auch nie, denn um zu den Spitzenkräften aufzuschließen, fehlte es dann doch immer an kompositorischem Talent, was auch heute einmal mehr deutlich wurde. Das Durchhaltevermögen einer solchen Band in allen Ehren, und irgendwie war der an eine Kreuzung aus Ville Valo und Iggy Pop erinnernde Sänger schon kultig, aber zum Nosferatu-Fan werde ich nicht mehr mutieren, und nach Inkubus Sukkubus waren sie ein klarer Abstieg.
UK Decay
Headliner auf der Parkbühne waren heute UK Decay, die von mir bislang noch nicht live begutachtet worden waren. Kann man ja auch mal ändern, auch wenn es kurz nach Gigbeginn zu regnen anfing. Während sich ein Großteil des Publikums unter die spärlich vorhandenen Dächer flüchtete, hielten die Getreuen tapfer aus und feierten ihre Band ab. Einen guten Ruf haben sie ja, und auch unter dem Regenschutz fielen Satzfetzen wie „endlich mal echter Gothic Rock und kein neumodischer Scheiß“ – gibt halt in jedem musikalischen Lager eine Keep-It-True-Fraktion ;-)…nichtsdestotrotz muß ich mich als Kuhschlächter outen, denn außer dem kultigen Ruf konnte ich an UK Decay wenig positives finden. Ältere Herren, die brav ihre nicht gerade ansprechenden Songs herunterspielen…auch wenn ich im Gothic Rock ebenfalls die alte Schule bevorzuge, gibt es da deutlich interessantere Bands, die meine Aufmerksamkeit mehr fesseln. Dementsprechend schaute ich mir die erste Halbzeit von UK Decay an, um anschließend die Parkbühne zu verlassen und durch den Regen zur Straßenbahn zu stapfen.
Montag, 1.6.09 – Agra-Halle
Letzte Instanz
KMFDM im Kohlrabizirkus oder Letzte Instanz in der Agra-Halle – wer sollte mein WGT-Abschluß 2009 werden? Spontan entschied ich mich für letzteres, was keine schlechte Entscheidung war. Als ich leicht durchnäßt im WGT-Hauptquartier einrückte, turnte gerade noch die mittlerweile übliche Feuershow auf der Bühne herum, bevor der Platz für den Headliner geräumt wurde. Die Halle war sehr gut gefüllt, das Gedränge im Fotograben erreichte seinen Höhepunkt – kein Zweifel, Letzte Instanz sind mittlerweile groß genug, um ein derartiges Festival zu headlinen, und es müssen ja wirklich nicht alle zwei Jahre Subway To Sally die Arbeit machen. Die Meute war auch gut bei Stimmung, als die Band sehr motiviert loslegte. Meine erste Begegnung mit ihnen fand an selber Stelle sechs Jahre zuvor statt, seitdem haben Letzte Instanz einige Veränderungen durchgemacht. Zum einen natürlich am Mikro, zum anderen auch stilistisch – professioneller und routinierter, für meinen Geschmack aber auch glatter und massentauglicher und damit weniger interessant. Der beißende Zynismus, der die frühen Texte häufig auszeichnete, ist ebenso wie die kantigeren Riffs und Parts weitgehend aus der Musik gewichen. Schade eigentlich…somit stellten mich die heute dargebotenen älteren Songs (u.a. „Mein Todestag“ und natürlich „Rapunzel“) deutlich mehr zufrieden als das neue Material, aber das Publikum sah das wohl anders, jedenfalls wurden Letzte Instanz durchweg ordentlich gefeiert. Kein Zweifel, die Band ist ihren Weg gegangen und hat es geschafft, sich als feste Größe in der Szene zu etablieren, so daß ich anerkennen muß, daß sie ihrer Headlinerposition gerecht wurden. Ein weiteres gelungenes WGT ging zu Ende – bis zum nächsten Mal.
Bericht & Fotos: Till