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WESTERBOER NILS - LYNEHAMNils Westerboer - Lyneham

(Hobbit Presse)

 

- komplexe und tiefgründige HardSF Post-Dystopie mit interessanten Fragestellungen -

 

In einem fernen Sonnensystem, irgendwann in der Zukunft. Nachdem die Erde unbewohnbar geworden ist, macht sich die Rayser-Interstellar samt dem 12-jährige Henry Meadows, seinem Vater Charles, seinen beiden Geschwistern Chester und Loy, sowie etlichen weiteren, ehemaligen Erdenbewohnern auf, zum urzeitlichen Mond Perm. Anstatt in einem, für den Mensch als unbedenklich einzustufenden Milieu, stranden die Erdenflüchtlinge in einem unwirtlichen und menschenfeindlichen Lebensraum, deren Atmosphäre sie nur mit einer Atemmaske absorbieren und verstoffwechseln können. In der Theorie hätte längst alles für ihre Anreise vorbereitet sein sollen, doch das Terraforming war offensichtlich noch nicht zur Gänze abgeschlossen. Die Luft war unfertig, die Vegetation inkompatibel, die Gravitation gering und die unzähligen Gefahren im Allgemeinen eher tödlicher Natur. Eigentlich hätte die Impulsmission, bestehend aus Henrys Mutter Dr. Mildred Meadows, Noah Rayser, dem "Macher" und Vorstandsvorsitzenden von Rayser-Interstellar, sowie einigen weiteren Teilnehmern, einige dieser Unregelmäßigkeiten längst beheben sollen. Hier auf Perm gibt es aber nach wie vor seltsame Anomalien, eine kaum auszumachende, weil unsichtbare Fauna, eine extrem helle Sonne, zwei Arten von Nächten und Gebirge doppelt so hoch, wie auf ihrem ehemaligen Heimatplaneten. Doch aus welchem Grund bietet Perm nach wie vor solch ein merkwürdiges und lebensfeindliches Umfeld? Und wo ist eigentlich Henrys Mutter Mildred?

 

Mit der komplexen und tiefgründigen HardSF Post-Dystopie "Lyneham" hat der, 1978 in Gaildorf (Baden-Württemberg) geborene Schriftsteller Nils Westerboer, eine fantasiegeschwängerte Welt geschaffen, die trotz aller Ernsthaftigkeit sequenziell ein wenig verspielt und abgelenkt erscheint. Dies ist selbstredend dem Umstand geschuldet, dass der Autor vornehmlich aus der Sicht Henrys, in der ersten Person Singular schreibt. Die gegenwärtige Erzählung wird durch Aufzeichnungen der vorangegangenen Impulsmission, ebenfalls in der ersten Person Singular, durch Dr. Mildred Meadows untermalt. Die Problematiken, die ein Leben auf dem Mond mit sich bringen, treten in ihren Aufzeichnungen nach und nach ans Licht. Sie wollten den "Nachzüglern" ein Paradies schaffen. Doch was ist hier aus dem Ruder gelaufen? Der ehemalige Betreuer für Menschen mit Behinderung, Hausmeister und Trainer für Sprengstoffsuchhunde, Naturfilm-Kameraassistent und jetzige Lehrer an einer Gemeinschaftsschule, erstellt hierzu interessante Thesen und Theorien, wie biologische und evolutionäre Abfolgen in fernen Galaxien der Zukunft tatsächlich vonstattengegangen sein könnten. Das macht Westerboer auf unkonventionelle, aber auch auf komplizierte bis verwirrende, bisweilen gar abstrakte Weise. Dem Leser wird hierbei eine gewisse Vorkenntnis diverser ökologischer, ökonomischer und (geo-)politischer Kausaleffekte abverlangt, die der Autor mit einem tieferen Sinn stimuliert. Fabelhaft und metaphorisch verpackt geht Westerboer auf die Missstände unserer weltlichen Errungenschaften, unseres Handelns und unserer (gegenseitigen) Verantwortung ein. Die Zeichnung der landschaftlichen Kulisse ist, wie bei fremden Welten unabdingbar, recht detailliert und anschaulich erfolgt. Dennoch verlangt Nils Westerboer seiner Leserschaft ein hohes Maß an Vorstellungskraft ab. Auch die fremdartigen, teils erfundenen, teils aus bekannten Wörtern zusammengewürfelte Komposita, sowie die unzähligen wissenschaftlichen Fachbegriffe machen dem Bücherwurm die Nahrungsaufnahme nicht immer ganz leicht. Der 496 Seiten starke Edutainment-Fiction Roman "Lyneham" ist ansonsten atmosphärisch, gehaltvoll und lebendig umgesetzt, weist aber zugegebenermaßen auch einige Längen auf.

 

Die neuen Permbewohner sind in den riesigen Biomen Lyneham A und B untergebracht. Lyneham ist hierbei ein Kompositum aus Lyne (altwal.): See/Gewässer und ham (altengl.): Siedlung/Heim (sprich: Lainäm). Hier leben die ehemaligen Erdenbewohner beinahe wie auf einer futuristischen Erde in einer Schutzatmosphäre. Die Kinder werden unterrichtet, das Essen bereitet ein Aggregator zu, die Automaten bauen und erschaffen Reaktoren, Gebäude und Luftfilter. ©Tina PeißkerDoch immer wieder wird die Frage nach Inkompatibilität und Kontamination durch eine invasive Art laut. Die Okkupation Perms wirft nun mal auch irdische Fragen zur Verdrängung und Zerstörung endemischen Lebens, der Haushaltung mit den Ressourcen unseres Planeten, wirtschaftlichen Automatismen, Anpassung, dem Umgang mit KI, künstlichen oder künstlich hergestellten Nanoorganismen und -maschinen, sowie zu religiösen Weltanschauungen auf. Dennoch hätte "Lyneham" stellenweise ein bisschen mehr Schwung und Handlung vertragen können.

 

Nils Westerboer hinterfragt in seinem SciFi-, Abenteuer-, Öko-, Techno-, Wissenschafts- und Edutainment-Roman "Lyneham" gesellschaftliche, ökologische, ökonomische, ethische, moralische Normen und Grenzen, wirft die ein oder andere philosophische, religiöse oder visionäre Betrachtung in den Raum. Diese durchaus interessanten Gedankengänge sind zum Teil um die Ecke gedacht, zum Teil aber auch auf rein naturwissenschaftliche Belange und Fakten heruntergebrochen. Westerboer erfindet das Rad dabei nicht neu, gibt aber einen kleinen Exkurs in Anthropologie, Paläoanthropologie, die destruktive Einstellung des Menschen und seines selbstauferlegten, von Anfang an zum Scheitern verurteilten Wirtschaftssystem, das allgemeine Mit- und Gegeneinander, sowie den Sinn des Lebens. Da kommen Fragen um Besitz, wenn auch nur rudimentär angeschnitten, teilweise schon sehr geil rüber. Auch wenn Westerboer sein allgemeingültiges (weitergehendes) Wissen eher geduldig, sachlich und entspannt vermittelt, läuft er dabei aber Gefahr, das eigentliche Storyboard zu untergraben. Wer hier eine triviale Fantasy- oder Horror-SciFi-Story vermutet, könnte eventuell enttäuscht sein. Wer sich neben der eigentlichen Story gerne mit interessanten Ansichten zu den angesprochenen Themen berieseln lässt, dürfte bei "Lyneham" wiederum goldrichtig liegen.

 

(Janko)

 

https://www.nilswesterboer.de//

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Nils Westerboer - Lyneham

Hobbit Presse (Klett-Cotta Verlag)

Science Fiction

ISBN: 978-3-608-98723-2

496 Seiten

Klappenbroschur, mit Karten

Erscheinungstermin: 15.03.2025

EUR 18,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

 

Weitere Formate:

ISBN eBook (epub): 978-3-608-12404-0

Erscheinungstermin: 15.03.2025

EUR 13,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

 

"Lyneham" bei Hobbit Presse (Klett-Cotta Verlag): https://www.klett-cotta.de/produkt/nils-westerboer-lyneham-9783608987232-t-8938

 

Leseprobe: https://www.klett-cotta.de/_files_media/reading_samples/9610.pdf


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