Testament, Dew Sentenced, Bleeding From Within (Wiesbaden 2013)
18.3.2013 Wiesbaden - Schlachthof
Testament sind nach längerer Pause mit „The Formation of Damnation“ voll durchgestartet. und das aktuelle „Dark Roots of Earth“ landete in Deutschland sogar auf Platz 4. Die Bay-Area-Legende ist (fast) im Original-Line-Up wieder am Start und beglückt die Fangemeinde mit genau dem, was diese zu Recht erwarten darf: Mit anspruchsvollem und bretthartem Thrash. Und wie der live rüberkommt, zeigte die Formation der Verdammnis im Wiesbadener Schlachthof.
Ursprünglich waren Shadows Fall als Gast vorgesehen, aber schon einige Wochen vor Konzerttermin war das Vorprogramm umgestellt worden. Statt USA-Melodic Death gab es zum Beginn deftigen Deathcore aus Schottland. Bleeding From Within eröffneten mit einer soliden Vorstellung, tight, brutal und spielfreudig (und mit, wie Kollege Schnuller treffend bemerkte, für eine Core-Band erstaunlich langen Haaren). Auch wenn die Kommunikation mit dem Publikum nicht unbedingt die treffsicherste war („How many of you are fucking drunk?“), konnte die Band mit Leidenschaft, Engagement und Härte punkten. Der Auftakt funktionierte umso besser, als Testament offenbar nichts davon halten, ihre Vorbands im Halbdunkel und in Zimmerlautstärke auftreten zu lassen. Eine der lautesten und wummerndsten Vorbands, die ich je gehört habe.
Leiser wurde es auch bei Dew Sentenced nicht. Auf Platte kann ich mir die Band ja nicht wirklich gut vorstellen, da sie insgesamt nicht gerade abwechslungsreich schien, aber dafür bewies sie hier äußerst starke Live-Qualitäten. Die deutschen Thrasher spielten so tight, rhythmusbetont und auf den Punkt, dass sich kaum ein Kopf dem Mitwippen verweigerte, und so hatten sie auch kein Problem, eine ordentliche Schar engagierter Fans zum heftigen Mitfeiern zu bewegen. Dew Sentenced erwiesen sich als eine echte Granate, und das Material der neuen Platte „Ikarus“ klang dann doch auch abwechslungsreicher und vielversprechender. Ein wirklich gelungenes Package bisher.
Dann enterten endlich Testament die Bühne. Es ist schon ein magischer Moment, eine der dienstältesten und verdientesten Formationen des Bay Area-Thrash fast im Original-Line-Up antreten zu sehen. Chuck Billy mit grünem Star Wars-Gedenk-Leuchtstab am Mikrofon, Greg Christian am Bass, Gründungsmitglied Eric Peterson und der atemberaubend virtuose Alex Skolnick an den Gitarren. Die Setlist war im Grunde ein Best of aus 25 Jahren Testament: Los ging es – erwartungsgemäß – mit „Rise Up“, dem Opener von DROE, der das Publikum mit „War!“-Rufen zum Mitmachen zwingt und so hervorragend einstimmte. Es folgten der superfette Formation-Opener „More than Meets the Eye“ und bald darauf noch die Titeltracks “Dark Roots of Earth” und eben “The Formation of Damnation”, sowie „Native Blood“. Das neue Material kam dabei ein wenig schwächer rüber als das des Vorgängers, mal abgesehen vom geradezu aberwitzig erbarmungslosen „True American Hate“, das genauso aggressiv rüberkam wie es dieser Song nun mal braucht. Aber mit „Over the Wall“, „Burnt Offerings“, „The New Order“, „Into the Pit“ und „Practice What You Preach“ wurde die Fangemeinde auch mit einigen der stärksten Songs der frühen Phase beglückt. Das zum Teil auffällig junge Publikum dankte es mit einem ausgewachsenen Moshpit, der aber auch dazu führte, dass sich die vorderen Reihen erheblich lichteten und so einfach zu viel Platz war, was der Atmosphäre eher abträglich war: Das Publikum zersplitterte regelrecht.
Das eigentliche Problem des Abends aber war der abgrundtief schlechte Sound, der dieser Hammer-Setlist einfach nicht gerecht wurde. Es klang alles so verwaschen und undifferenziert, dass man manchmal ein paar Momente brauchte, um überhaupt zu erkennen, welcher Song hier gerade gespielt wurde. Ein solches Sound-Desaster ist für eine Headliner-Show in der Halle definitiv unterhalb der Grenzen des Hinnehmbaren. Wie man hört, soll das bei Testament keine Seltenheit sein, und das ist wirklich verdammt schade. Sie sind songschreiberisch einfach auf zu hohem Niveau, als dass sie sich einen solchen Sound guten Gewissens leisten könnten. Ansonsten agierte die Band, naja, ziemlich professionell: Testament funktionieren zwar als Einheit, aber trotzdem kommt das Publikum angesichts der Selbstdarstellungs-künste solcher Charakterköpfe wie Chuck Billy und Alex Skolnick auch in dieser Hinsicht auf seine Kosten. Man hat aber auch ein wenig den Eindruck, dass hier Vollblutprofis am Werk sind, die wissen, wie sie eine Show durchziehen müssen, die sich aber eben auch nicht mehr unbedingt jeden Abend volle Granate reinhängen. Und so war es auch eine echte Enttäuschung, als Testament ohne jeden Hauch einer Zugabe einfach so abgingen: Die Verabschiedung erfolgte nach durchgezocktem Set so konsequent, dass sich niemand mehr traute, überhaupt eine Zugabe zu verlangen. Was vielleicht als konsequent geschnürtes Paket gemeint war, erwies sich so als Stoß vor den Kopf mancher Fans. Und so bleibt ein etwas gespaltener Eindruck: Über jeden Zweifel erhabenes Material, teilweise eher geschäftsmäßiges Gebaren, unterirdischer Sound. Auf jeden Fall ein unvergeßlicher Abend, aber eben auch mit schalem Beigeschmack.
(Torsten)