Totentanz-Magazin - Castle, Mort

Mort Castle - Fremde

(Blitz Verlag)

- brutaler Psycho Horror Klassiker -

Umland von Chicago, Mitte der 1980er Jahre. Micheal Louden ist ein normaler Durchschnittsbürger aus der Mittelschicht, in einem von Rassismus und Vorurteilen geprägten Amerika. Er ist verheiratet, hat zwei bezaubernde Töchter, ein Eigenheim in einem ruhigen Vorort von Chicago und einen tollen Job. Den perfekten Nachbarn mimend, geht Michael ganz banalen Tätigkeiten nach. Er mäht den Rasen, trinkt mit dem Nachbarn ein Bier oder auch zwei, sinniert über seine Frau Beth und malt sich vor lauter Langeweile aus, wie einfach es doch wäre, sie just in diesem Moment von hinten zu packen und zu töten. Michael Louden ist ein psychopathischer Killer mit Vorzeigefamilie. Er verhält sich unauffällig. Verstellt sich. Spielt seine Rolle gut. Alles, was er macht und um sich schart, ist reine Tarnung. Denn tief in seinem verkommenen Herzen ist und bleibt Michael Louden ein Fremder.

"The Strangers", wie die Fremden im 1984 veröffentlichten, amerikanischen Original benannt wurden, ist eine perfekte Bezeichnung für die bösartigen Charaktere in Mort Castles Psycho Horror Klassiker. Dem Anschein nach sind es ganz normale Menschen wie du und ich. Und doch sind sie es nicht! Denn bei den Fremden handelt es sich um emphatie- und gefühllose Lügner, narzisstische Egomanen, manipulative Exzentriker, gewaltbereite Soziopathen und perfide Mörder, die selbst in ihren innigsten Beziehungen immer wieder eine gewisse Distanz auf ihr jeweiliges Gegenüber projizieren, um selbiges ein schwer einzuordnendes Gefühl der Fremde und der Unsicherheit verspüren zu lassen. Die Fremden agieren im Verborgenen und passen sich an. Michael Louden passt perfekt in dieses Bild. Er gibt den fürsorglichen, verständnisvollen und gönnerhaften Vater und Ehemann, will aber eigentlich nur, dass sich seine patriarchalisch morbiden Visionen und Fantasien in Allmacht, Blut und Gewalt auszahlen, um Beth allmählich in den Wahnsinn zu treiben. Und so tut der 1946 geborene US-amerikanische Allrounder Mort Castle, der auch als Schreiblehrer, Musiker, Stand-up-Comedian, Bühnenhypnotiseur, Englischlehrer und Herausgeber von Zeitschriften und Comics arbeitete, dem bösartigen Seelenfresser Michael Louden den Gefallen und lässt ihn seinen ganz persönlichen Horror Trip ausleben. Einen mentalen Höllenritt, der für Beth und ihr Umfeld in einem kaum zu entrinnenden Abyssal aus deprimierender Verzweiflung und groteskem Wahn mündet.

Horror Autor Mort Castle bewegt sich frei im Kopf des Psychopathen, rollt das Thema also von der psychologischen Seite her auf und beschwört eine verstohlen um sich greifende Gefahr herauf. Größten Teils aus der Sicht von Michael verfasst, versprüht der typische 80er Jahre Horror Schocker eine idyllisch distanzierte Bestimmtheit, hinter der sich etwas Böses und Unberechenbares verbirgt. Dieses Old School Flair weist eine klischeebehaftete Leichtigkeit auf, die immer wieder von Mord und Totschlag zertrennt wird, durch seine Längen speziell im Mittelteil jedoch Gefahr läuft, actionverwöhnten Lesern aufs Gemüt zu schlagen. Der gehässige, esoterisch angehauchte Misanthrop Michael Louden hat eine dissoziative Persönlichkeitsstörung und weidet sich nicht nur an physischer, sondern auch an psychischer Gewalt. Er weiß, dass er anders ist als andere und geht absolut d'accord damit. Er ist sogar ein wenig stolz darauf. Michael, der zwischendurch immer mal wieder Einblicke in seine prägende Jugend gibt, ist entweder Mr. Niceguy oder ein Fremder. Ein Fremder, der aus trivialer Leidenschaft zu töten beliebt und sich anschließend, keiner Schuld bewusst wieder in seine Camouflage zurückziehen kann. "Fremde" hat über die Jahre durchaus ein wenig Patina angesetzt, schaut mir zu wenig über den psychologischen Tellerrand und hätte gerne vielschichtiger und tiefgründiger ausgestaltet sein können. Auf der anderen Seite unterhält der Roman aber gerade wegen der nur allzu leichtfertigen Handhabung seines gesteigerten Gewaltpotentials. Eines Gewaltpotenzials, das in den 80er Jahren mangels Analogien, garantiert noch intensiver wahrgenommen wurde als heute. Ohne auch nur ein einziges Mal ins Übernatürliche abzudriften, ist mir "Fremde" mit seiner Sprunghaftigkeit und seinen "ups and downs", bis auf die vereinzelten Schockmomente daher zu unaufgeregt und bleibt etwas hinter meinen Erwartungen zurück. Zum Schluss hin dreht Mort Castle allerdings noch mal kräftig an den Daumenschrauben und lässt ein bösartiges, fieses und extrem mulmiges Gefühl vollkommener Hilflosigkeit aufkommen. Das hätte ich mir allerdings über weitere Strecken seines Horror-Romans gewünscht. Der exklusiven Sammler-Ausgabe, die man als geneigter Leser nur direkt über den Blitz-Verlag beziehen kann, hat man ein hervorragendes und treffsicheres Coverartwork von MtP-Art - Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney verpasst, das mich jetzt schon mehrfach hat innehalten lassen.

(Janko)

http://www.mortwrites.freeservers.com

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Mort Castle - Fremde

Blitz Verlag

Horror

Buchreihe: Blitz Verlag - Band 24, Horror-Roman; Exklusive Sammler-Ausgabe (nur über den Verlag zu beziehen)

ISBN: 978-3-689-84022-8

364 Seiten

Taschenbuch

Originaltitel: The Strangers (1984)