Stephen King - Qual
(Redrum Books)
- Gelungener Genremix aus Thriller, Lebensgeschichte und Abenteuerroman -
Ocoma Heights, New England, USA. Der minderbemittelte, unbeholfene und obendrein auch noch vergessliche Gauner Clayton Blaisdell junior, den alle nur Blaze nennen, dreht ein Ding nach dem anderen. Aufgewachsen in dem schäbigen Kinderheim Hetton House, in South Freeport (ca. 25 Kilometer von Kings Geburtsort Portland, Maine entfernt), hat der riesige, 140 Kilogramm schwere Blaze in seiner Kindheit viel Leid über sich ergehen lassen müssen. Eine tiefe Delle ziert seine Stirn. Ein denkwürdiges Andenken an seine früheste Kindheit, das er noch vor seiner Zeit im Hetton House davon getragen. Aufgrund dieser vielen traumatisierenden Vorkommnisse leidet Blaze an einer Dissoziativen Persönlichkeitsstörung, die ihn gedanklich permanent mit dem imaginären George sprechen lässt. Seinem vermeintlich intelligenteren, aber auch umso toteren Freund George Thomas Rackley.
Blaze, der auf Georges Anraten mutterseelenallein ein Riesending durchziehen will, stellt sich aber auch wirklich selten dämlich an und macht dabei so ziemlich alles verkehrt, was man verkehrt machen kann. Blaze ist bei Weitem nicht die hellste Kerze auf der Torte. Immer wieder vergisst er Dinge zu organisieren oder Spuren zu verwischen, die ansonsten auf direktem Wege zu ihm führen könnten. George hätte an alles gedacht, aber George ist auch seit drei Monaten tot. Blaze hingegen ist und bleibt nun mal ein erbärmlicher, aber durchaus liebenswerter Idiot, für den man im Laufe des gelungenen Genremix aus Thriller, Lebensgeschichte und Abenteuerroman, eigentlich nur Mitleid entwickeln kann. Clayton Blaisdell junior ist im Herzen kein bösartiger Mensch, aber er lässt sich nun mal von seiner gespaltenen Persönlichkeit leiten. Bei seinem waghalsigen Vorhaben, das Baby einer reichen Familie zu entführen, hinterlässt Blaze, trotz seiner "Hilfe aus dem Totenreich", so unsagbar viele Spuren, dass ihm alsbald das FBI auf den Fersen ist.
Der wohl bekannteste Schriftsteller der Gegenwartsliteratur Stephen King lässt den Leser, in mehr oder minder ausladenden Rückblenden, an Blazes erbärmlicher Kindheit im Hetton House teilhaben. In stetem Wechsel mit dem gegenwärtigen Geschehen, streut der 1947 geborene, US-amerikanische Schriftsteller Erzählungen über Blazes bisheriges Leben ein, die von Qual, Demütigung und Misshandlung, phasenweise aber auch von einer unbeschwerten Jugend zeugen. Blaze, der immer mal wieder Ärger in der Schule oder auch zu Hause macht, wird von Pflegefamilie zu Pflegefamilie gereicht und landet zwischendurch immer wieder in dem staatlichen Erziehungsheim. Dort hat der, damals schon riesige Junge, in John Cheltzman seinen einzigen Freund gefunden, den er beschützt wie seinen Augapfel. Wie selbstverständlich verwebt King Nebensächlichkeiten in seinen Plot, die alleine durch seine geschickte, empathische und cineastische Art zu erzählen, einen regelrechten Sog aus Spannung und Atmosphäre erzeugen.
Es kommt, wie es kommen muss, denn bei Blazes Entführung des Babys geht so ziemlich alles schief, was auch nur schiefgehen kann. Eigentlich macht der Riese gar keinen so schlechten Eindruck, aber er ist eben manchmal ein bisschen trottelig. Das hält ihm George auch regelmäßig vor, weswegen Blaze sich darüber allmählich mit seinem imaginären Freund George "in die Haare" kriegt. Er macht sich durchaus Gedanken über sein Handeln, seine Verantwortung und entwickelt regelrecht Vatergefühle für den kleinen entführten Säugling. Er will das Baby vor seinen Verfolgern beschützen, es nicht mehr hergeben. Ein, gerade für das kleine Leben extrem gefährliche Flucht durch die eisige Kälte des amerikanischen Winters beginnt. Inklusive eines spannenden Showdowns, der in einer Katastrophe endet.
Stephen King schrieb "Qual", welches unter dem Titel "Blaze" im amerikanischen Original im Jahre 2007 erschien, unter dem Pseudonym Richard Bachman bereits im Jahre 1972. Der Stil seines Frühwerks ist gegenüber seinen nachfolgenden Romanen leicht unkonventionell, aber nicht minder eingängig, sehr einfühlsam und hin und wieder mit einer Prise Humor gewürzt. Schwungvoll und voller Vitalität geschrieben, erzeugt King quasi aus dem Nichts heraus einen humornuancierten Spannungsbogen, sodass man "Qual" in einem einzigen Ritt durchlesen möchte.
Zur anhängenden Kurzgeschichte "Memory":
Edgar Freemantle, ehemaliger Chef der boomenden Baufirma The Freemantle Company, hat einen folgenschweren Unfall, den er schwer verletzt überlebt und der sein ganzes Leben nachhaltig verändert. Mit nur noch einem Arm am Körper wird Edgar zornig, ja regelrecht aggressiv. Seine Frau verlässt ihn und Edgar versucht in seinem neuen Leben klarzukommen. Die kurze Geschichte macht für mich jetzt nicht wirklich Sinn, ist aber auch lediglich ein kurzer Prolog zu Stephen Kings Erfolgsroman "Wahn".
(Janko)
Stephen King als Richard Bachman - Qual
Thriller
Redrum Books
ISBN-13: 978-3-95957-300-9
391 Seiten
gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag und Lesebändchen
Originaltitel: Blaze
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Jürgen Bürger
19,99 Euro [DE] inkl. MwSt.
Erscheinungsdatum: 15.02.2022
"Qual" bei Redrum Books: https://www.redrum-verlag.de/qual-blaze.html?language=de