Dornenreich, Ahab, Fjoergyn (Frankfurt 2009)
Dornenreich, Ahab, Fjoergyn
15.9.09 - Frankfurt, Nachtleben
Irgendwie schon bemerkenswert: Vor wenigen Monaten sah ich Dornenreich noch in der Würzburger Posthalle und es war nicht gerade schlecht gefüllt. Umso erstaunter war ich, daß die Band auf dem zweiten Teil ihrer „Nachtreisen“-Tour im doch ziemlich kleinen Nachtleben Station machen würde. Entsprechend voll war es auch, der Laden war ausverkauft. Doch der Reihe nach, immerhin war hier ein wirklich hochwertiges Package auf Tour.
Fjoergyn
Eine Viertelstunde früher als angegeben enterten Fjoergyn die Bühne, um ihr unkonventionelles, komplexes Material darzubieten. Prinzipiell sind sie meiner Ansicht nach eher eine Studio- als Liveband, alleine schon weil eine Wiedergabe der Musik nur mit zahlreichen Samples und Einspielungen vom Band möglich ist. Das nimmt Fjoergyn immer ein wenig das Livefeeling, trotzdem war es ein gelungener Auftritt, denn das Quartett agierte ebenso sauber wie engagiert. Und musikalisch ist es natürlich über jeden Zweifel erhaben, was die Band auf dem Kasten hat, die drei bisherigen Alben sind allesamt als hochwertig und empfehlenswert einzustufen. Entsprechend ausgewogen war auch die Setlist und berücksichtigte alle Veröffentlichungen. Mancher Anwesende ging auch gut mit, die Band wurde positiv aufgenommen, aber so recht aus der Reserve locken konnten Fjoergyn das Publikum heute nicht, die meisten sparten sich ihre Energie für Dornenreich auf. Ich bin jedoch zuversichtlich, daß sie ihren Status noch weiter werden ausbauen können, dann ist vielleicht irgendwann auch eine Headlinertour drin.
Ahab
Weiter ging’s dann sehr, sehr langsam. Nautic Funeral Doom Metal eben, ganz klar. In der Umbaupause keine Musik sondern Meeresrauschen, ein paar Fans stimmten frohgemut „15 Mann auf des toten Manns Kiste“ an, dann brach das Zeitlupeninferno über Frankfurt herein. Mit gefühlten drei bpm dröhnten, grunzten und verzweifelten Ahab von der Bühne herab, stießen das Entermesser unbarmherzig ins Herz des Publikums, das den extremen Doom teilweise ekstatisch, teilweise verwirrt bis entsetzt aufnahm. Keine Frage, derartige Musik polarisiert natürlich massiv und wird sicherlich nicht jedem Anwesenden gefallen haben, aber wo kämen wir denn auch hin, wenn jedes netzstrumpfbehoste Dornenmädel plötzlich den Funeral Doom ins Herz schlösse. Ahab boten das Material ihrer beiden Alben jedenfalls sehr intensiv dar, ein paar kleine Timingschwierigkeiten sind bei dem Zeitlupentempo, das das Zusammenspiel alles andere als erleichtert, verzeihlich. Für mich waren sie die beste Band des Abends, und der Applaus nach dem letzten Ton ließ darauf schließen, daß sich Ahab heute einige neue Freunde erdoomt hatten. Übrigens befand sich in Daniel Drostes Wasserflasche auf der Bühne wider Erwarten kein Salzwasser, doch zumindest in Sachen Catering hatten wir uns vor dem Konzert davon überzeugen können, daß Ahab ihr Image leben: Sämtliche Pizzen waren mit Fisch belegt. All hail Nautic Funeral Doom Metal!
Dornenreich
Und dann einmal mehr Dornenreich. Einige Male habe ich die Band ja schon gesehen, immer ziemlich anders als beim vorherigen Auftritt. Das Nachtleben war nunmehr rappelvoll, als Eviga und Inve mit Violine und Akustikgitarre die Bühne betraten. Sollte es überraschenderweise doch ein Unplugged-Gig werden? Nicht wirklich, denn nach dem ersten Stück nahm der Drummer seinen Platz ein, Eviga griff zur Massivholzklampfe, der komplette restliche Auftritt wurde somit in der bereits von der vorherigen Tour mit Agalloch bekannten Besetzung dargeboten. Von alten Klassikern wie „Eigenwach“, „Wer hat Angst vor Einsamkeit?“ oder „Schwarz schaut tiefsten Lichterglanz“ bis hin zu neuerem Material wie „Jagd“ boten Dornenreich eine Achterbahnfahrt durch ihre Karriere, instrumentiert von der seltsam wirkenden Kombination Schlagzeug/Gitarre/Violine, die immer noch ungewohnt klingt aber durchaus ihre Reize hat. Ob sie auch auf dem nächsten Album Verwendung finden wird, mag sich zeigen. Insbesondere Cheftheatraliker Eviga lebte seine Songs auf der Bühne intensiv aus, zeigte vom Flüstern bis zum Schreien die ganze Palette. Ein verdammt guter Auftritt, der das Publikum mehr als zufriedenstellte, die Begeisterung war jedenfalls groß. Auch wenn ich mich in Dornenreichs Musik selbst noch immer nicht so recht reingehört habe und Ahab für mich die heutige Goldmedaille einheimsen konnten, bleiben die Österreicher eine Ausnahmeband, deren Qualitäten unbestritten sind. Schön zu sehen, daß eine Band, die weitgehend ohne Unterstützung der Mainstreampresse auskommen mußte, nur aufgrund ihrer Musik zumindest die kleinen Clubs ausverkauft. Danke Leute, war ein schöner Abend.
Bericht & Fotos: Till