Mit ihrem dritten Brachialwerk "Misanthropy" haben die, 2012 erstmals auf der Schwermetall-Charta erschienenen Extrem Hardcoreler LIFESICK aus Fredericia in Dänemark, einen wahrlich garstigen Motherfucker von der Kette gelassen. Derbe verzerrte und tief ins Erdreich getunte Griffbretter, kerniges, polyrhythmisches Drumplay und eine abgefratzte, variable, in jeglicher Hinsicht schroffe und tobsüchtige Aggro-Shout-Perfomance, erzeugen diesen ultrabösen Sound, der zwar sauber produziert, aber durch die Verzerrer auch so "dirty as a 10-pound-bitch" ist. Der brachiale Stomp-In-Ya-Fucking-Face-Hardcore, des dänischen Five-Piece LIFESICK, ist auch 2022 weit entfernt von massentauglich, was zum einen genau so gewollt und zum anderen auch verdammt gut so ist! Sänger Simon Shoshan gewährte uns einen umfassenden Einblick in das Leben und Wirken von Dänemarks extremster Hardcore Band…
TT: Auch wenn LIFESICK bereits 2015 gegründet wurde, gibt es jetzt nicht sooo viel Information über euch im Internet. Für diejenigen unter uns, die euch nicht kennen oder bis dato nicht kannten…gib uns doch bitte mal einen kleinen Einblick rund um LIFESICK.
Simon: Es begann mit den beiden Gitarristen (Nikolai Lund, Nicolai Lindegaard), die damals in einer Band namens NO LOVE spielten und zeitweise darüber sprachen, etwas Neues und Härteres an den Start zu bringen. Schlagzeuger (Jeppe Løwe) und ich spielten damals auch in einer Hardcore-Band namens SPINKICK. Wir haben ebenfalls über solche Sachen diskutiert. Als sich SPINKICK und NO LOVE auflösten, war es also an der Zeit. Allerdings brauchte es nicht allzu viele Proben, bis wir uns in unserem Sound „wie zu Hause“ fühlten. Das lag daran, dass wir alle auf die gleichen Bands, wie NAILS, EXPIRE und POWER TRIP standen. Eine weitere Sache, die wir alle gemeinsam hatten, ist, dass die meisten von uns bereits ihre Erfahrungen mit Depressionen und Herzschmerz gemacht hatten. Deshalb haben wir die Songthemen drum herum aufgebaut. Dann passte einfach alles zusammen. Es fühlte sich so an, als wäre die perfekte Zeit und der perfekte Ort gekommen, genau die Musik zu machen, die wir uns eigentlich selbst gerne anhören wollten. Es kam uns nicht so vor, als ob das zu der Zeit irgendjemand anders in Dänemark gemacht hätte.
TT: Euer Brutal Hardcore/Death Metal ist schon echt martialisch, massereich und impulsiv. War euch von Anfang an bewusst, dass es euch in diese unerbittliche Richtung verschlagen würde?
Simon: Ja, darüber haben wir immer in unserem Proberaum gesprochen. Darüber, dass wir die härteste, aufrichtigste und hasserfüllteste Musik machen wollten. Wir kennen eine Menge Bands, die nah dran sind und einige Leute haben es vielleicht sogar geschafft, aber wir haben immer versucht, die Dinge ein wenig zu verändern und unsere Version echter hasserfüllter Musik zu kreieren. Von Anfang an war es unser Ziel, die härteste, brutalste und unerbittlichste Musik zu machen, die überhaupt möglich ist. Jedes Mal, wenn wir eine neue Platte aufnehmen, geht es darum, die Grenzen der vorherigen Alben zu sprengen. Wenn etwas aufrichtig sein soll, muss es real sein. Also schrieben wir über Depressionen und die Angst vor dem Tod und über alles andere, was unser Leben wirklich geprägt hat. Ich wollte keine Geschichten erfinden, die so nie passiert sind.
TT: Erzähl mir über die Entstehungsgeschichte zu "Misanthropy". Wie und unter welchen Umständen kam es zustande? Ihr habt nun auch euer drittes Album gemeinsam mit Jacob Bredahl im Dead Rat Studio in Aarhus produziert, mit Mix und Master von Brad Boatright und dem Audiosiege Mastering Studio in Portland, Oregon. Habt ihr dieses Mal produktionstechnisch, wie auch bzgl. der musikalischen Umsetzung etwas anders gemacht?
Simon: Wir haben versucht, unsere Grenzen zu überschreiten. Ein paar neue Elemente hinzuzufügen, wie unseren kleinen Akustikteil in "Necessary Evil". Wir sind mit einer anderen Einstellung ins Studio gegangen. Alles auf dieser Platte wurde komplett anders gemacht, als bei unseren vorherigen Aufnahmen. Wegen Corona mussten eine Menge Dinge zu Hause erledigt werden. Wir haben uns gegenseitig Dateien mit Riffs, Drum-Patterns und solchen Sachen geschickt. Eine Menge Elemente dieses Albums sind in Heimarbeit entstanden und erst danach im Proberaum vervollkommnet worden, so wie wir das früher gemacht haben.
Es hat schon seinen Grund, warum wir immer in die "Dead Rat Studios" gehen, um unsere Alben aufzunehmen. Das liegt daran, dass er (Jacob Bredahl) unseren Ideen immer aufgeschlossen gegenübersteht und nicht nur irgendwelche Voreinstellungen verwendet. Jedes Mal, wenn eine neue Band hinzukommt, fängt er bei null an und findet heraus, was diese Platte richtig gut klingen lässt. Das ist es, was uns so sehr an ihm gefällt. Er ist richtig gut darin, uns an unsere Grenzen und weit darüber hinauszuführen, um uns beim Aufnehmen das bestmögliche Ergebnis zu liefern. Wir waren auch schon mit unseren vorherigen Bands bei ihm im Studio. Wir kannten ihn also wirklich gut und so ist er über die Jahre ein guter Freund der Band geworden.
TT: Textlich geht "Misanthropy" in eine ausgesprochen destruktive Richtung. Ihr berichtet grob gesagt vom Untergang der Welt, vom Krieg der Überlegenen gegen die Schwächeren, Täuschung und Leichtgläubigkeit, von pharmazeutischen Drogen und Gleichgültigkeit…gibt es überhaupt noch Hoffnung für die völlig aus den Fugen geratene Menschheit und beinhaltet "Misanthropy" somit eine Art apokalyptisches Konzept in euren Augen?
Simon: Es markiert nicht wirklich das Ende der Welt, denn es ist eher ein Bild davon, wie dumm wir Menschen sind. Wir sind eigentlich ein Haufen „kluger“ Menschen, die ihre Intelligenz für das Falsche einsetzen und das bereits seit Tausenden von Jahren. Es ist eher eine Offenbarung für den Personenkreis, der nicht einsehen will, wer wir sind und was aus uns geworden ist. Es ist eine Bestätigung für all diejenigen, die wissen, wie dumm wir Menschen sind, dass sich letzten Endes nichts ändern wird und wir niemals aus unserem Trott herauskommen werden. Irgendwie sehe ich es eher als „positiven Nihilismus“ an, weil es nicht wirklich eine „fuck it all“-Mentalität ist. Es geht eher in die Richtung „hier sind die Fakten“ – lerne damit zu leben.
TT: Ihr habt im Vorfeld zum neuen Album insgesamt vier Videos gepostet. Das ist eine ganze Menge und beim Drehen habt ihr sicherlich auch eine Menge Spaß gehabt, was man den authentisch aggressiven Videos auch deutlich anmerkt. Hattet ihr wegen Corona "zu viel Zeit" oder wolltet ihr von vornherein vier Videos machen? Wie und durch wen sind diese entstanden?
Simon: Wir sprechen jedes Mal darüber, wenn wir eine neue Platte machen. Das ist genauso, wie damals bei unseren alten Bands. Jede Band träumt davon, eine Platte so gut wie möglich zu pushen. Mit all den Videos kannst du das schon machen. Aber normalerweise fehlen uns Zeit, Geld und auch die Connections, die man braucht, um so etwas auf die Beine zu stellen. Aufgrund der Corona-Situation hatten wir natürlich ausreichend Zeit und viele gute Freunde, die uns halfen das zu realisieren. In dieser Hinsicht gab es durchaus auch einige positive Dinge, die aus der Pandemie erwachsen sind. Wir wollen immer so viel wie möglich aus unseren Platten herausholen und da kommen uns jedes Mal die gleichen Gedanken. Im Endeffekt hatten wir tatsächlich das gesamte Paket, bereits Monate bevor die Platte veröffentlicht wurde, fertig verschnürt und bereit zum Versenden.
TT: Ihr habt kürzlich die Never Say Die! Tour mit NASTY, WITHIN DESTRUCTION, DISTANT, DAGGER THREAT und CABAL absolviert und konntet euch so einem breiteren Publikum vorstellen. Was könnt ihr mir über diese Tour, eure Erfahrungen, die Highlights und die Lowlights erzählen?
Simon: Dies war ohne Zweifel die wildeste Tour, die wir je gespielt haben und wir können es kaum erwarten, mehr in dieser Richtung zu machen. Es war unsere erste Tour in einem Nightliner-Bus. Es fühlte sich fantastisch an, ein eigenes Apartment durch ganz Europa mit sich zuführen und sich endlich mal keine Sorgen darüber machen zu müssen, wo man die Nächte verbringen wird. Viele Mitglieder der anderen Bands sind Persönlichkeiten, zu denen wir jahrelang aufgeschaut haben, und es war so cool, alle kennenzulernen und miteinander abzuhängen. Alle waren richtig gut. Das Management war professionell. Es hat einfach alles auf den Punkt gepasst. So ein gutes Catering hatten wir noch nie (haha). Solch einen guten Sound und so hohe Besucherzahlen hatten wir nie zuvor in unserer Karriere. Daran könnten wir uns definitiv gewöhnen (haha). Dies war eines der ersten Male, bei dem wir definitiv sagen können, dass es keine Lowlights auf der Tour gegeben hat. Wir haben uns eineinhalb Wochen lang gefühlt wie „Rockstars“.
TT: Vorgestern habt ihr den ersten Teil eines DIY-Tour-Vlogs (selbstgemachter Tour-Video-Blog) online gestellt. Wie viele Teile werden folgen und was kannst du mir ansonsten darüber sagen? Das habt ihr mit den CABAL-Jungs gemacht! Habt ihr alle zusammen Videos "gesammelt", die ihr später zusammengeschnitten habt?
Simon: Der zweite und letzte Teil ist online. Wir kennen die Leute von CABAL sehr gut. Der Leadsänger (Andreas Bjulver) stammt aus unserer Heimatstadt. Wir spielen seit Jahren Seite an Seite mit ihm, also war es ein Kinderspiel, sich mit diesen Leuten zusammenzutun. Sie machten einen Tour-Vlog und wir sprachen darüber, selbst einen zu machen, also haben wir diese beiden Vlogs einfach miteinander verbunden. CABAL haben ihren Part aufgenommen und wir unseren. Dann hat Andreas die meisten CABAL-Parts bearbeitet und Nikolai hat die Unseren geschnitten und zusammengestellt.
TT: Im März, also in knapp zwei Monaten geht’s dann noch mal auf Dänemark-Rundreise in deren Rahmen ihr auch auf dem diesjährigen Copenhell auftreten werdet. Sicherlich ein Highlight für euch im Jahre 2022 neben dem Album-Release am 11.02.2022. Anscheinend wurden die Corona-Beschränkungen in Dänemark allesamt aufgehoben!?! Ich nehme mal an, dass ihr euch auf diese Dates (und endlich ohne Limitierungen der Zuschauerzahlen) freut wie Bolle!
Simon: Exakt. Nichts begeistert uns im Moment mehr, als rauszugehen und dieses Album live zu performen. „Copenhell“ wurde jetzt fast drei Jahre lang immer wieder verschoben und wir haben uns die ganze Zeit darauf gefreut, dort zu spielen. Außerdem haben wir aufgrund von Corona über 40 Shows absagen müssen. Die Beschränkungen in Dänemark wurden glücklicherweise vorerst aufgehoben, aber das bedeutet nicht, dass Corona vorüber ist. Es ist immer noch hier und breitet sich rasant aus. Daher ist zumindest für den Moment erst mal alles „back to normal“, aber wir können es uns auf keinen Fall leisten, noch mehr Shows zu verlieren.
TT: Ich habe gesehen, dass ihr euer eigenes Bier herstellt. Da seid ihr natürlich nicht die erste Band, die das bewerkstelligt hat. Ein süßes Milk Stout (ähnlich Guinness…oder sogar cremiger?) aus der kleinen Brauerei des Fredericia Brewpub, das ihr "Swept In Black" genannt habt (benannt nach eurem 2018er full-length), ist es geworden. Warum habt ihr euch für solch eine "softe" Biersorte entschieden? Eure Lieblingsbiersorte? In eurem Fall und bei eurem musikalischen Stil wäre doch sicherlich eher ein Extra Extra Extra Strong Bier passender gewesen, bei dem man bereits nach dem Genuss einer einzigen Flasche total besoffen wäre… ;-) Wer kam eigentlich auf die Idee dazu, wie ist das vonstattengegangen und wo kann man es erwerben?
Simon: Unser Bier "Swept In Black" war ein voller Erfolg. Es war auch der Corona-Situation und der zusätzlichen Zeit geschuldet, die wir dadurch hatten, dass wir uns dazu entschieden haben, so etwas durchzuziehen. Unser Gitarrist (Nicolai Lindegaard) kannte den Typen aus der Gasthausbrauerei und fragte ihn, ob es möglich sei ein Bier für uns zu kreieren und der war sofort dabei. Wegen des Namens des Albums haben wir entschieden, dass es ein dunkles Bier sein muss. Allerdings mag eigentlich keiner von uns (außer einem) dunkles Bier, also haben wir den Brauer gebeten, ein dunkles Bier zu brauen, das möglichst bekömmlich ist, damit es auch trinkbar wird. Und das Bier wurde perfekt. Leider war es viel zu schnell ausverkauft. Es ist so gut geworden, dass wir sogar ein neues Bier für unsere neue Platte namens "Misanthropy" gebraut haben. Diesmal ist es ein Bier im IPA-Stil. Mit einem Hauch Chili und einem Alkoholgehalt von 6,66 %, das leicht zu trinken ist, ohne dass es langweilig wird.
TT: Kommen wir zum Schluss...was steht ansonsten bei euch in naher und ferner Zukunft an? Stehen die nächsten Dates für Deutschland bereits?
Simon: Dies ist das Jahr von "Misanthropy". Wir werden dieses Album so weit wie möglich verbreiten, live spielen und alles daran setzen, dies möglich zu machen.
Wir haben bereits einige Touren geplant, mit NO TURNING BACK und REDEMPTION DENIED im Mai, und wir buchen weitere, während wir gerade darüber sprechen. Wir machen gerne "limited" Merch, also haltet die Augen offen nach neuen Dingen, die da kommen. Wie unser Bier und unser Fußballtrikot. Wir haben noch mehr in dieser Richtung geplant!
Wir freuen uns riesig über die Resonanz auf unser Album. Es bedeutet uns wirklich viel, dass Menschen auf der ganzen Welt es mögen und diesen Hass in sich aufsaugen.
(Janko)