Amorphis – Circle
(Nuclear Blast)
Für ihr elftes Album haben sich Amorphis dafür entschieden, einige Dinge anders zu machen: Erstens ist es diesmal nicht von Marco Hietala, sondern von Peter Tägtren produziert, und zweitens haben sie – Halleluja, das wurde aber auch Zeit - die breit getretenen Pfade das Kalevala-Mythos endlich hinter sich gelassen. Und man muss sagen: die Veränderungen haben sich bezahlt gemacht. Wo beim Vorgänger Beginning of Times eine Reihe mittelmäßiger und cheesiger Nummern als mögliche Anzeichen dafür gelesen werden konnten, dass sich die Finnen einerseits langsam auf ihren wohlverdienten Lorbeeren ausruhen und andererseits in kommerzieller Berechnung auf die Charts schielen, wirkt Circle wie das Ergebnis einer Frischzellenkur. Klar, auch dieses Album erzählt wieder eine Heldengeschichte, und auch dieses Album folgt an vielen Stellen wieder dem typischen Muster 'harte Strophen – catchiger Chorus', aber das alles ist qualitativ so hochwertig umgesetzt, dass daran überhaupt nichts auszusetzen ist. Im Gegenteil: Amorphis kombinieren ihre verschiedenen Stile mit dem maximalen Effekt, was schon von daher rührt, dass die Finnen hier auch in Sachen Härtegrad zu neuen (bzw. alten) Ufern aufbrechen: Die Strophen von Shades of Grey und Enchanted by the Moon sind waschechter und sehr entschiedener Death Metal mit extrem grimmigen Growls, und die unbarmherzigen Eisstürme, die das epische Nightbirds Song heraufbeschwört und bei denen Tomi Joutsen fast schon keift, bewegen sich hart an der Grenze zum Black Metal: was für ein Kontrast zu den atemberaubenden Leads in The Wanderer, den gänsehautträchtigen Gesangslinien in Mission, der hymnischen Größe von A New Day, dem progressiven Aufbau von Into the Abyss,zu den immer wieder eingeflochtenen Klavierstücken und der allgegenwärtigen Melancholie und Erhabenheit dieser Platte. Ausfälle wie noch auf dem Vorgänger sucht man hier vergeblich, ja sogar Amorphis-Durchschnitt findet sich kaum. Die fette Produktion tut ihr Übriges, diese Platte zu einem unvergeßlichen Hörerlebnis zu machen. Amorphis befinden sich auf der absoluten Höhe ihres Schaffens. Und Circle – für mich deutlich das beste Album der Joutsen-Ära - hat das Zeug zum Klassiker.
(Torsten)