Richard Laymon - Das Ende
(Heyne Hardcore)
- pervers..., perverser..., Laymon!!! -
Keiner stellt den Tod kälter und kränker dar, als der, ihm 2001 bereits selbst anheimgefallene, US-amerikanische Schriftsteller Richard Laymon. Die Plots des, 1947 in Chicago geborenen Autors sind blanker Thrill und blanker Horror. Dafür schreibt der ehemalige Lehrer, Bibliothekar und Zeitschriftenredakteur aber derart cineastisch, dass sich das Kopfkino fast wie auf Knopfdruck einstellt. Es ist selbstredend Ansichtssache, ob dies aufgrund der expliziten Darstellung von Brutalität und Abartigkeit immer so gut ist. Dass sich Laymons Plots stets um eine Kombi aus Sex und Gewalt drehen, dürfte für die Wenigsten etwas Neues sein. Man nehme ein junges sexhungriges Pärchen, ein paar blutgeile Hillbillys und fertig ist der Laymon-Plot. Aber nein, weit gefehlt, so leicht ist es denn nun auch wieder nicht...
Eine blonde Frau, lediglich in ein seidiges Negligee gehüllt, fährt mit ihrem Jaguar durch die Nacht. Sie nimmt einen, offensichtlich bereits auf sie wartenden Mann in einem Waldstück auf. Die beiden überlegen kurz, wo sie ein wenig Ruhe für ihr Schäferstündchen finden könnten und steuern kurzerhand eine Flussbiegung an, die bei den Ortsansässigen unter dem Begriff „Die Schleife“ bekannt ist. Am Fluss angekommen, wollen Sie ein wenig die innere, wie äußere Feuchtigkeit zu spüren. Als die beiden schlussendlich ins Wasser eintauchen, passiert es. Ein augenscheinlich grundloser Gewaltausbruch, der ihr beider Leben verändert. Seines hat er bereichert, ihres hat er beendet. Als sie anschließend auch noch den Kopf verliert und er sich ganz ungezwungen zu ihr legt, schläft er ein.
Am nächsten Morgen machen Bass Paxton und Faye Everett - ein weiteres Pärchen, das sich am Fluss etwas erfrischen will - eine schreckliche Entdeckung. Zuerst glauben sie an ein schlafendes Paar am Strand. Sie augenscheinlich komplett nackt und er nur mit einer Jeans bekleidet. Er liegt halb auf ihr und alles sieht ganz natürlich und friedlich aus, bis der Mann plötzlich aufwacht und erschrocken mit dem Kopf der Frau, wie mit einer Trophäe oder einem Football unter dem Arm durch den Fluss flüchtet. Bass und Faye haben den Mörder gesehen. Er sie aber auch. Von nun an sind sie in akuter Gefahr, denn der Mörder macht gnadenlos Jagd auf seine Zeugen.
Immer wieder beschreibt Laymon die anziehende, wie auch abstoßende Erotik von diversen Körperteilen, solange sie noch fest mit dem jeweiligen Körper verbunden sind. Im Falle der etwas kopflosen jungen Frau namens Alison Parkington verhält sich die Sache natürlich ein wenig anders. Die Schock- und Aha-Momente sind mal wieder genial. Der Plot kommt mir dieses Mal irgendwie reifer, erwachsener und abgeklärter vor, als alles was ich bisher von Laymon gelesen habe. Die cineastische Vortragskunst des Verfassers ist legendär, erschreckend lebensnah und voller beißend tragischer Komik. Geschickt hält Laymon die Spannung hoch, die Tiefgründigkeit hingegen absichtlich flach.
Bass und Faye informieren das Büro des Sheriffs Rusty Hodges. Seine investigative Arbeit nimmt sich zwar nicht übermäßig actionreich, dafür aber umso spannender aus. Unterstützung erhält er von seiner Schwiegertochter Deputy Mary "Pac" Hodges. Sie beide machen sich auf die Suche nach Bill und Trinket, einem weiteren jungen Pärchen, das den Mörder der kopflosen Frau gesehen haben könnte. Auch sie scheinen in höchster Gefahr zu sein. Dem Mörder scheint es unter anderem um Machtgefühle, sowie das hemmungslose Ausleben hetero- wie auch homoerotischer Spielereien zu gehen. Ein Katz und Maus Spiel beginnt, indem auch der Mörder kräftig mitmischt. Parallel dazu erzählt Laymon die Geschichte von Merton und Walter, die offensichtlich eine homosexuelle Abhängigkeitsbeziehung führen. Merton scheint etwas Schlimmes getan zu haben, will es Walter aber nicht en Detail erzählen. Walter greift in seiner Verzweiflung zum Hörer und tätigt einen Anruf.
Ein Dritter Erzählstrang berichtet von Faye Everetts' Mitbewohnerin Ina Jones. Als Bass Ina mit seinem Anruf weckt, um sich nach Faye und ihren Befinden zu informieren, ist selbige nicht zu Hause, obschon Bass sie direkt nach der Befragung durch die Polizei zu Hause abgesetzt hatte. Ina bemerkt, dass Faye offensichtlich ihre Koffer gepackt hat und mir ihrem Wagen weggefahren ist. Laymon beschreibt immer wieder Nichtigkeiten, die dem Plot Leben einhauchen und ihn gewissermaßen greifbar machen. Es sind diese kurzen, prägnanten Kapitel, die von einem Erzählstrang zum Nächsten springen, die den Leser an seinen Seiten kleben lassen. Eine lange Zeit passiert fast nichts, doch dann überschlagen sich die Ereignisse. Über die Motive des Täters oder worum es letzten Endes überhaupt geht, wird der Leser sehr lange im Unklaren gelassen, doch dann ist es zu spät, denn nichts ist, wie es scheint.
Richard Laymon charakterisiert seine Protagonisten zumeist absichtlich recht oberflächlich, so muss man auch nicht allzu viel Mitleid aufbringen, wenn der eine oder die andere von ihnen frühzeitig das Zeitliche segnet. Laymon hat seinen Plot hier und da mit ein wenig Humor gewürzt, was mir beim Lesen zuweilen ein tiefenentspannendes Schmunzeln ins Gesicht zauberte. Laymons' Plots weisen keinerlei Tiefgründigkeit auf, aber das brauchen sie auch nicht. Es sind durchgeknallte Thriller, die im Allgemeinen solche Leser ansprechen und unterhalten sollen, die eben auf solch kranken Thrill stehen. Mit einem, zugegebenermaßen etwas wirren Showdown verabschiedet sich Laymon nach insgesamt 320 Seiten. Was das Ganze alles allerdings mit dem Klappentext zu tun haben soll, weiß nur der Geier...und der hat das Buch sicherlich genauso wenig gelesen, wie der Verfasser des Klappentexts.
(Janko)
Link zur Buchseite des Verlags: Klick!
Aus dem Amerikanischen von Marcel Häußler
Originaltitel: Among the Missing
Originalverlag: Leisure
Taschenbuch, Broschur, 320 Seiten, 11,8 x 18,7 cm
ISBN: 978-3-453-67714-2
€ 9,99 [D] | € 10,30 [A] | CHF 13,90* (* empfohlener Verkaufspreis)
Verlag: Heyne Hardcore
Erschienen: 12.03.2018