Schändung von Jussi Adler-Olsen
Um es gleich einmal vorweg zu nehmen, an das vielversprechende Debüt „Erbarmen“, kommt das Zweitlingswerk „Schändung“, des völlig überbewerteten dänischen Autors Jussi Adler-Olsen, leider bei weitem nicht heran. Ein zerfahrener, undurchdachter Plot, etwas bizarr und verwirrend am Anfang, zeitweise gar ad absurdum geführt, lesen sich die 459 Seiten bisweilen, wie die ersten Gehversuche eines Kleinkindes. Der Schreibstil ist oftmals holprig, was allerdings auch an der schwachen Übersetzungsleistung liegen kann. Tiefgründigkeit sucht man bei Adler-Olsen vergebens, wobei man ihm zu Gute halten muss, dass es sich bei seiner Carl Mørk Reihe um Kriminalfälle im Trivialliteratur Bereich handelt, die ja nicht zwingend bedeutungsschwangere Inhalte bieten müssen, sondern in erster Linie unterhalten sollen. Einen gewissen Unterhaltungswert möchte ich dem, 2010 hierzulande erschienenen, zweiten Fall für Carl Mørk und seinen Assistent Assad vom Sonderdezernat Q auch gar nicht in Abrede stellen, aber das Storyborad wirkt doch arg konstruiert und nicht zuletzt dadurch stellenweise etwas konfus. Die Hintergründe kommen gelegentlich etwas plump daher, sind leidlich übertrieben, grotesk und unglaubwürdig. Die beiden Haupterzählebenen ranken sich zum einen, in der Vergangenheit, um eine verzogene Internatsclique der achtziger Jahre, die ihre sadistische Ader an Mitschülern, Lehrern aber auch wildfremden, zufällig auserkorenen Opfern auslebt und Spaß am Anderssein hat. Zum anderen in der Gegenwart, in der Carl Mørk und Assad vom Sonderdezernat Q für ungeklärte Mordfälle, mit der Aufklärung eben solcher „Cold Cases“ befasst sind. Der ehemaligen Internatsclique, indes zu eiskalten, gefühlskranken, skrupellosen, widerlichen Bonzen in ihren Mittvierzigern herangewachsen, steht mit Carl Mørk ein grammeliger, rauer, ungenierter und ungehobelter Ermittler gegenüber. Diese durchgeknallten „Yuppies“ sind reich, dekadent, sadistisch und asozial. Sie lieben die Jagd, wobei die Wahl ihrer Opfer keinesfalls von Willkür getrieben und nicht immer ganz legal ist. Aber wen kümmert das, so lange sich mit Geld noch alles regeln lässt. Daneben steht Kirsten-Marie, kurz Kimmie genannt, die als ehemals fester Bestandteil und treibende Kraft der Internatsclique, selbigen mehr oder weniger zur freien sexuellen Verfügung stand, bis es zu einem unheilschwangeren Übergriff auf ihre Würde und Unversehrtheit kam. Auch wenn Carl, dem man mit Rose eine zwar unerwünschte, aber zusätzliche helfende Hand zugeteilt hat, die weiteren Ermittlungen von höchster Ebene untersagt werden, man ihn gar zeitweise suspendiert, schießt der alte Sturkopf mal wieder quer und ermittelt dennoch in dem Fall, gegen die angeblich ausdrückliche Order der Polizeipräsidentin. Da sich vermehrt seltsame Dinge in Carls Umgebung ereignen, wird dieser allmählich hypernervös und wirft sich schon mal vor dem Drehen des Zündschlüssels aus seinem stehenden Dienstwagen, um einem nicht präsenten Bombenanschlag zu entgehen. Adler-Olsen springt in „Schändung“ leider oftmals ohne Punkt und Komma zwischen Handlungsorten und seinen Personal hin und her, was im ersten Moment immer mal ein wenig verwirrt. Vielleicht will er sich damit der Aufmerksamkeit der Leserschaft gewahr werden. Meiner bescheidenen Meinung nach macht es das Verständnis der Kausalitäten zwischen den Ereignissen aber eher schwieriger. Obschon ich den ersten Carl Mørk Fall gar nicht so schlecht fand, werde ich mir den dritten Teil wohl eher nicht antun. Dass ein solches Buch wie „Schändung“ zu einem Bestseller avanciert, macht mich schon irgendwie stutzig und lässt mich an der Integrität und dem ehrlichen Urteilsvermögen so mancher Leser zweifeln. Good bye, Jussi! Du hattest nach den Sternen gegriffen und dabei lediglich ein paar Eintagsfliegen zwischen die Finger bekommen.
(Janko)