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FRANK SCHÄTZING - HeldenFrank Schätzing - Helden

(Kiepenheuer & Witsch)

 

- ausschweifend strapaziöses Historien-Epos -

 

Wie ich es hasse, ein Buch abzubrechen! Doch die Lektüre der ersten 365 Seiten zu "Helden" war mir dermaßen anstrengend, dass ich mich dazu gezwungen sah, diesen bitteren Schritt zu gehen. Dem Roman mangelt es an Flair, Charisma und Cozyness. Kein Wunder, wenn man sich als Leser nach 330 Seiten fragt, worauf der Autor eigentlich hinaus will und vor allem Dingen, wann die Geschichte denn endlich loszugehen gedenkt! Frank Schätzing kommt im zweiten Teil der "Jacop der Fuchs"-Trilogie einfach nicht auf den Punkt und entwickelt keinerlei Storyboard mit erzählerischem Flow (außer seiner ausufernden, gleichwohl entbehrlichen geschichtlichen Abhandlungen der englischen, wie französischen Geschichte, deren Herrscher, deren Kriege, sowie deren gegenseitigen Ausbeutungen). Die Handlung, die sich eigentlich mit Jacop der Fuchs und seinem Umfeld befassen sollte, dreht sich fast ausschließlich um die Kölner Handlungsbeziehungen des 13. Jahrhunderts, die damalige wirtschaftliche Lage, die finanziellen Geschicke, den Klüngel und das Bankwesen. Dabei hat Schätzing offenbar das Kölner Stadtarchiv auf links gedreht. Doch alles bleibt seltsam monoton, ermüdend und belanglos, auch wenn der Autor seinen Kontext wie gewohnt mit intelligentem Wortwitz angereichert hat. Der gesamte Dunstkreis, in dem sich "Helden" abspielt, ist zäh wie ein frisch verdauter Kaugummi. Für mich persönlich nahezu unlesbar und das mit Abstand schlechteste, weil hoffnungslos überladene Buch des deutschen Bestsellerautors.

 

Der 1957 in Köln geborene Allrounder Frank Schätzing steigt mit seinem neuen historischen Roman "Helden" im Prinzip da ein, wo er vor knapp drei Dekaden mit "Tod und Teufel" aufgehört hat. Die Verschwörung um den Mord am ersten Dombaumeister des Kölner Doms, Meister Gerhard Morart zwar unlängst aufgedeckt, die Täter jedoch nicht öffentlich beim Namen genannt, besteht für Jacop, Jaspar, Goddert und Richmodis noch immer Gefahr für Leib und Leben. Die getroffene Absprache mit den Overstolzen auf wackligen Beinen, müssen sie nach wie vor auf der Hut sein. In einem wirtschaftlich aufstrebenden, mittelalterlichen Köln, in dem der Klerus seine Vormachtstellung allmählich gegenüber Handelswaren und Devisen einzubüßen droht, erhält Jacop der Fuchs die Chance sein Leben endlich in geordnete Bahnen zu lenken. Während die Patrizier eifrig an ihren Handelsstrategien feilen, erhält der ehemalige Herumtreiber, Gaukler und Dieb das Angebot von eben jenen Patriziern zum Kaufmann ausgebildet zu werden. Wissbegierig wie er ist, saugt Jacop alles geflissentlich in sich auf. Dabei ergeht er sich jedoch in endlosen Ergüssen über seine Vergangenheit, seinen jetzigen Platz im Leben und über seine Zukunft. Ein Wiedersehen mit Jaspar Rodenkirchen, Goddert von Weiden, seiner Tochter Richmodis, Erzbischof und Landesherr Konrad von Hochstaden, der reichen Patrizierfamilie der Overstolzen, sowie dem Hünen und Auftragsmörder Urquhart von Monadhliath, das Jacop auf Handlungsreisen von Köln über Frankreich, England und Schottland bis nach Wales führt.

 

Auf der einen Seite muss man Frank Schätzing zugestehen, dass er sein 1040 Pagina zählendes Epos auf ein äußerst hohes Niveau gehoben hat, auf der anderen Seite ist das dargebrachte Material einfach "too much" für den Gelegenheits-, bzw. den Otto-Normalleser. Schätzing nutzt eine fantasiegeschwängerte, blumig-verschnörkelte, metaphorisch eingefärbte und gehoben stilisierte Rhetorik, die sich an Begrifflichkeiten und Gepflogenheiten der mittelalterlichen Zeit satt frisst. Seine bildgewaltige, mit einem Wahnsinnsaufwand recherchierte Erzählkunst, ist zweifelsohne dazu prädestiniert, eine tiefgehende Atmosphäre der damaligen Zeit heraufzubeschwören, in die der Leser immersiv abzugleiten vermag. Jeder Satz ist geistreich mit Bedacht gewählt, jedes Wort auf die Goldwaage gelegt, jeder Kontext feinfühlig gesponnen und verwebt, was jedoch vollkommen überladen und extrem ausladend wirkt. Schätzing kommt vom 100stel ins 1.000stel und verlangt seinen Lesern ein hohes Maß an Allgemeinbildung, sowie ausgedehnte Französisch- und Latein-Kenntnisse ab. Es ist dieser, vor Stolz gebrüstete, anspruchsvolle und mit unterschwelligem Humor garnierte Stil, für den ihn seine Leser lieben, der aber nicht immer leicht verständlich daherkommt und folglich auch nicht jedermanns Sache sein dürfte. Dies sind nun mal die Hauptattribute, welche die komplexen, literarischen Träumereien von Frank Schätzing begleiten, die selbige so lebendig und so unendlich lesenswert machen, könnte man argumentieren. Auch ich habe diese stilistischen Stärken an seinen früheren Werken sehr genossen, doch war mir das selbstgelobhudelte, halb geschichtlich fundierte, halb fiktionale Kauderwelsch im Falle von "Helden" ungewöhnlich mühsam zu ertragen. Ich hätte beileibe nicht damit gerechnet, dass es derart katastrophal und nichtssagend ausfallen würde.

 

Schätzings kunstfertige, mondäne und kenntnisreiche Wortwahl ist in etliche Handlungsstränge eingebettet, die jedoch leichtfertig dazu neigen, den Leser anzustrengen, zu verwirren und ihn den allgemeingültigen roten Faden vermissen zu lassen. Auch das reichhaltige Personal, dem Schätzing zum Entree des Wälzers ein beschreibendes Glossar spendierte, macht die Sache nur unwesentlich besser, denn die Charaktere bleiben so farblos wie Quellwasser. Der deutsche Romancier schiebt immer wieder philosophische Betrachtungen, zeitgenössische Floskeln und althergebrachte Lebensweisheiten in das episch aufgeblasene, geschichtsträchtige Konstrukt einer ganzen Epoche ein und macht dabei zu viele Baustellen auf einmal auf. Vollkommen belanglose Unterhaltungen werden aufs äußerste gedehnt, Gedankengänge zu Tode durchexerziert und die Nerven der Leser qualvoll überstrapaziert. Schätzing bauscht sein historisches Epos nachgerade künstlich auf, und philosophiert nicht selten am Kernpunkt des Geschehens vorbei. Hat der Autor hier etwa zu viel gewollt? Ich denke schon, denn ein gestraffter Plot hätte dem gehemmten Lesefluss sicherlich so einige Dämme davongespült. Störend empfand ich ebenfalls, dass der Erzähler, für seine 30 Jahre später erscheinende Fortsetzung zu "Tod und Teufel" (1995), gänzlich andere Stilmittel in Sprache, Aufbau und Symbolik verwendet. Was ist nur aus der behaglichen Gemütlichkeit, der durchgängigen Spannung und der großartigen Aura von "Tod und Teufel" vor drei Dekaden geworden? "Lautlos" habe ich geliebt, "Der Schwarm" ist heute noch mein All-Time-Fave, "Limit" war grandios, "Breaking News" aufgrund der komplexen Thematik nicht gerade einfach, das Wissenschaftlich fundierte "Nachrichten aus einem unbekannten Universum" zum Nachdenken anregend und "Die Tyrannei des Schmetterlings" über Paralleluniversen und die Gefahren der KI schon recht kompliziert. Aber was sich Frank Schätzing dabei gedacht, "Helden" derart aufzublasen, entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Ein dritter Teil der "Jacop der Fuchs"-Trilogie? Für mich in jedem Fall geschenkt!

 

(Janko)

 

https://www.frank-schaetzing.com

https://www.helden-roman.de/

https://www.instagram.com/frankschaetzing/

 

Frank Schätzing - Helden

Kiepenheuer & Witsch

Mittelalter-Roman

Buchreihe: Jacop der Fuchs-Trilogie (Teil 2)

ISBN: 978-3-462-00097-9

1040 Seiten

Gebundene Ausgabe

Erscheinungstermin: 16.10.2024

EUR 36,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

 

Weitere Formate:

ISBN eBook (epub): 978-3-462-30262-2

Erscheinungstermin: 16.10.2024

EUR 24,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

 

"Helden" bei Kiepenheuer & Witsch: https://www.kiwi-verlag.de/buch/frank-schaetzing-helden-9783462000979

 

Leseprobe: https://www.book2look.com/book/9783462000979


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